Weihnachts-Drama in Zuckenriet SG
«Wir konnten nur unser Leben retten»

Als der Rauch Angie Fuchs weckt, kann sie nur eins tun: ihre Kinder aus dem Bett holen und fliehen.
Publiziert: 24.12.2009 um 10:17 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 23:15 Uhr
Von Martin Meier

Auf ihren Pyjamas machen Clowns Kapriolen. Aber Manuel (7), Benno (8), Lina (10) und Julie (11) ist nicht zum Lachen zumute. Bloss in Pyjamas und barfuss stehen sie in der Nacht vor zwei Tagen im Schnee.

Vor ihren Augen brennt ihr Heim. Die Älteste, Julie, hält die Jüngste, Lydie (7 Monate), auf dem Arm, Mutter Angie Fuchs (28) versucht zu löschen und Vater August «Güscht» Krucker (62) holt die Feuerwehr.

Am Sonntag sind sie doch noch alle gemütlich zusammengesessen. In der Stube des 125- jährigen Bauernriegelhauses. Hoch über Zuckenriet, im Weiler Dietenwil SG.

Es herrschte Vor-Weihnachtsstimmung. Güschts Bruder Peter brachte Geschenke. Für Güschts und Angies gemeinsames Baby Lydie, und für Manuel, Benno, Lina und Julie, Angies vier Kinder aus erster Ehe. Die Bescherung: «Ein Schlitten, eine Hunderternote und viele Gutscheine.» Doch all diese Geschenke sind jetzt verbrannt.

Alles ist so schnell gegangen: In der Nacht auf Dienstag gegen zwei Uhr wacht Angie Fuchs auf: Beissender Gestank! Sie weckt ihren Lebenspartner, steht auf und sieht überall Rauch! «Ich rannte zu den Kindern und schrie: ‹Die Decke packen, mir nachlaufen!›» Das Telefon funktioniert nicht mehr. «Ich konnte die Feuerwehr nicht alarmieren», erinnert sich August Krucker, «musste rausrennen, zum Telefon beim Milchhüsli.»

Derweil sind Angie und ihre fünf Kinder draussen und müssen zusehen, wie Fensterscheiben bersten und Flammen aus dem Haus schiessen. Angie spritzt mit dem Schlauch verzweifelt Wasser ins Haus. Güscht ist zurück, rennt in den Stall, bindet die 20 Rinder und 22 Kühe los.

Nach acht Minuten ist die Ortsfeuerwehr da. Angie hat den Brand schon fast löschen können. Die Ambulanz bringt die ganze Familie ins Spital Wil. Mit Verdacht auf Rauchvergiftung.Dort, im Spital, bleiben die Kinder auch tags darauf. Angie will nicht, dass sie das ausgebrannte Haus zu Gesicht bekommen. «Es ist übel. Ich kann den Brandgestank nicht mehr riechen.»

Sie selbst steht wieder im Schnee, der inzwischen russgefärbt ist. Auf den Armen wiegt sie die kleine Lydie. Und sie ist den Tränen nahe. Mit ihrem Partner besichtigt sie das ausgebrannte Haus. «Wir haben alles verloren», sagt Güscht. «Wir konnten noch das retten, was wir anhaben. Und das Wertvollste – unser Leben.»

Er sieht, wie Versicherungsagenten durch die Ruine seines Hofs gehen. Neben ihm steht Gemeindepräsident Lucas Keel (40): «Wir müssen alle zusammenhalten und der Familie helfen.»

Die siebenköpfige Familie steht tatsächlich nicht allein: Schüler der Primarschule Zuckenriet fangen noch am Dienstag an, für ihre Gschpänli Kleider zu sammeln. Bis gestern Abend kommt so ein ganzer Kleiderberg zusammen. «Das ist Solidarität im Dorf und freut mich riesig», sagt Keel. Die Gemeinde hat bereits ein Spendenkonto eingerichtet (siehe Box) und stellt der Familie 5000 Franken zur Verfügung.

Von diesem Geld kaufen sich Angie und Güscht gestern Nachmittag in der Ikea gleich etwas Geschirr, Pfannen und Decken. Und aus dem Brockenhaus holen sie ein Laufgitter fürs Baby.

Über Weihnachten bleibt die Familie erst einmal bei August Kruckers Schwester. Dann dürfen die sieben in die Hälfte eines Bauernhauses in Lenggenwil SG ziehen.

So kommen Angie, Güscht und ihre Kinder doch noch zu einer Feier unter dem Weihnachtsbaum. Nur eins wollen sie auch geschenkt nie mehr: einen Fernseher. «Ich glaube, ein Kurzschluss in unserem Gerät war am Brand schuld.»

Ein kleiner Funke – der ihnen an Weihnachten das Zuhause zerstört hat.

So helfen Sie
Auch Sie können spenden: Bei der Raiffeisenbank Niederhelfenschwil, auf Konto 23520.44, Clearing-Nr. 81289. Oder auf Postkonto 90-4441-6, lautend auf die Gemeinde Niederhelfenschwil. Wichtig: Vermerk «Familie August Krucker». Wollen Sie kein Geld, sondern etwas anderes stiften, melden Sie sich bei news@blick.ch. Vermerk «Familie Krucker» nicht vergessen.
Auch Sie können spenden: Bei der Raiffeisenbank Niederhelfenschwil, auf Konto 23520.44, Clearing-Nr. 81289. Oder auf Postkonto 90-4441-6, lautend auf die Gemeinde Niederhelfenschwil. Wichtig: Vermerk «Familie August Krucker». Wollen Sie kein Geld, sondern etwas anderes stiften, melden Sie sich bei news@blick.ch. Vermerk «Familie Krucker» nicht vergessen.
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