«Das war mein grösster Horror-Trip», sagt H.S.* (55) aus St. Gallen. Sie wischt sich die Tränen aus den Augen und erzählt von ihrer Festnahme.
Die Hausfrau war vergangene Woche mit ihrem Auto in der Stadt St. Gallen unterwegs, als sie in eine gewöhnliche Verkehrskontrolle geriet. «Dabei sagten mir die Polizisten, dass ich wegen zwei Parkbussen zur Fahndung ausgeschrieben sei», erzählt sie. «Ich sagte ihnen, dass ich eine Busse aus Zürich in der Höhe von 120 Franken bereits bezahlt habe und die andere aus Adelboden in der Höhe von 40 Franken ungerechtfertigt sei.»
«Die Polizisten legten mir Handschellen an»
Dennoch wird H. S. in eine Zelle des Polizeipostens von St. Gallen gesteckt. «Es war ein Loch. Ich konnte nicht schlafen und musste erbrechen.» Am frühen Morgen habe man ihr gesagt, sie werde nach Bern verlegt. Die Beamten bringen sie um 7.30 Uhr zum Bahnhof in St. Gallen, wo ein Gefangenentransport auf sie wartet. «Die Polizisten legten mir Handschellen an und steckten mich im Zug in eine Zelle. Ich fühlte mich wie ein Schwerverbrecher», erzählt die Hausfrau. «Während der Fahrt musste ich wieder erbrechen. Es ging mir erst wieder besser, als mir die Securitas-Angestellten Wasser brachten».
Am Mittag kommt der Zug in der Hauptstadt an. «Was macht ihr mit mir? Wo bringt ihr mich hin?» will sie immer wieder wissen. Eine Antwort erhält sie im Regionalgefängnis Bern. «Eine Frau kam im Empfangsbereich auf mich zu. Sie drückte mir ein Zugbillett nach St. Gallen in die Hand und sagte mir, ich könne wieder nach Hause gehen.» Seither hat H.S. nichts mehr gehört.
Wegen Parkbusse zur Fahndung ausgeschrieben
Warum hat die Hausfrau die Parkbusse damals nicht bezahlt? «Es war im Winter 2008 in Adelboden. Es hatte 40 Zentimer Neuschnee und ich musste mein Auto stehen lassen. Dass man mich deswegen drei Jahre später in Handschellen nach Bern bringt, ist ein wenig unverhältnismässig» findet sie. In St. Gallen rechtfertigt man sich: «Die Frau war zur Fahndung ausgeschrieben. Deshalb haben wir sie unseren Kollegen in Bern übergeben», sagt Kapo-Sprecher Hanspeter Krüsi.
Die zuständige Stelle in Bern bedauert den Vorfall und sagt nun überraschend:. «Leider wurde die Meldung über die erfolgte Bussenzahlung nicht nach Bern weitergeleitet. Als die Berner Vollzugsbehörde Kenntnis von der Zahlung erhielt, befand sich die Frau bereits auf dem Transport. Entsprechend konnte sie nach ihrer Ankunft in Bern umgehend nach Hause zurückkehren», sagt Lilian Ischi von der Abteilung Strafvollzug.