Unvorsichtige Bauern vergiften Zehntausende – Imkerin schockiert
«Schlimm, den Bienen beim Sterben zuzuschauen»

Bauern sprühen Pestizide auf ihre Obstbäume – und auf Bienen. Dieses Jahr starben bereits Zehntausende Bienen. Auch die Völker von Imkerin Karin Brägger.
Publiziert: 06.09.2017 um 17:45 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 03:30 Uhr
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Karin Brägger mit ihren Bienen – 12 von ihren Völkern sind wegen Pestizid verendet.
Roman Neumann

Karin Brägger aus Lanzenneunforn TG fällt es noch immer schwer, über den Schock zu sprechen: «Es ist schlimm, wenn man seinen Bienen beim Sterben zusehen muss.» An einem sonnigen Tag geht sie zu ihren Bienenständen, will nach ihren Lieblingen sehen. «Es war tolles Flugwetter, und ich hatte starke Völker.» Doch nach einiger Zeit merkt sie, dass etwas nicht stimmt. 

Ihre Bienen kommen geschwächt zurück, verenden vor ihren Fluglöchern, Brägger muss es hilflos mitansehen. Erst später wird klar, was passiert ist: Ihre Bienen kamen mit Pestizid in Berührung, gaben es untereinander mit ihrem Nektar weiter – das Todesurteil. «Von 20 Völkern sind zwölf komplett verendet, nur acht haben überlebt», sagt Brägger. Emotional eine riesige Belastung: «Als ich das ganze Ausmass sah, musste ich weinen.»

So viele Fälle von vergifteten Bienen wie noch nie

Apisuisse, der Verband der Bienenzüchtervereine, bestätigt: Zehntausende Bienen sind dieses Jahr in der Schweiz bereits durch Vergiftungen durch Pflanzenschutzmittel verendet. Laut dem Bienengesundheitsdienst sind das weit mehr Fälle als in den letzten Jahren. 

Schuld daran: Unvorsichtige Bauern, die ihre Pflanzenschutzmittel auf ihre Obstbäume und Felder sprühen – obwohl sich noch Bienen darauf befinden. «Ich will die Bauern nicht anschwärzen, aber die meisten Vergiftungen passieren durch Fehlanwendungen», sagt Mathias Götti-Limacher, Vizepräsident von Apisuisse.

Der Schaden für die Imker ist enorm: «Wir reden hier von etwa 10 bis 20 Völkern pro Stand, die jeweils bis zu 30'000 Bienen umfassen können», so Götti. Ein Volk produziert im Schnitt 20 Kilo Honig pro Saison. Hinzu kommen die Kosten, um die Bienenvölker zu ersetzen oder stark dezimierte wieder aufzupäppeln. 

Imker bleiben auf dem Schaden sitzen

In der Vergangenheit gab es bereits einige Gerichtsfälle, in denen fehlbare Landwirte gebüsst wurden. Allerdings sei es enorm schwierig, Fehlanwendungen nachzuweisen, sagt Götti. Auch Karin Brägger bleibt auf ihrem Schaden sitzen. «Meine 20 Völker hätten etwa 500 Kilo Honig produziert. Der Kanton sagt, es sei nicht eruierbar, wer das betroffene Insektizid gesprüht habe – das ausserdem zu dieser Zeit nicht verwendet werden darf.»

Sind den Bauern die Bienen egal? Beim Bauernverband wehrt man sich: Die Bienen seien für die Landwirte wichtig. «Oft sind die Ursachen der Bienenvergiftungen Anwendungsfehler, die nicht passieren sollten», sagt Sprecherin Sandra Helfenstein. Manchmal geschehe dies wegen mangelnden Wissens, manchmal aus Nachlässigkeit. «Zweiteres verurteilen wir.» 

Hoffnung für alle Imker bringt nun der nationale Aktionsplan Pflanzenschutzmittel, den der Bundesrat diesen Herbst verabschieden könnte. Das würde auch der Bauernverband begrüssen, denn damit würde die Ausbildung der Bauern verbessert. Für Karin Brägger ein schwacher Trost: «Meine Arbeit wurde um rund vier Jahre zurückgeworfen.»

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