Übungsgelände für internationale Friedenstruppen
Die Uno patrouilliert im Appenzell

Schweizer Militärbeobachter sind weltweit aktiv. Sie und Kollegen aus anderen Ländern trainieren im Appenzellischen.
Publiziert: 22.07.2017 um 13:56 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 16:41 Uhr
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Rund um die Uhr überwachen die Uno-Beobachter den fiktiven Grenzverlauf.
Foto: Thomas Meier
Simon Marti

Sie dienen in der Demokratischen Republik Kongo und patrouillieren auf den von Israel besetzten Golanhöhen. Sie beobachten die Grenzlinie auf der koreanischen Halbinsel und vermitteln in Mali.

Schweizer Militärbeobachter sind seit den 50er-Jahren rund um den Globus im Einsatz. Bevor die «Peacekeeper» in die Krisenregionen der Welt ausschwärmen, trainieren sie im beschaulichen Appenzell. Eine Woche lang verwandelt sich die Postkartenidylle für sie in ein geteiltes Land. Ein Krisengebiet, in dem ein fragiler Frieden Einzug hielt, den es nun zu sichern gilt.

Schwere Geländewagen in der hügeligen Landschaft

Offiziere aus 32 Staaten überwachen in diesem Sze­nario rund um die Uhr den Grenzverlauf. Während die Appenzeller ihren täglichen Geschäften nachgehen und Kühe gelassen über grüne Wiesen spazieren, kurven schwere Geländewagen, blau beflaggt mit dem Logo der Vereinten Nationen, durch die hügelige Landschaft. Buben salutieren zum Scherz am Strassenrand.

Ein ägyptischer Offizier beobachtet die Lage aus dem Helikopter.
Foto: Thomas Meier

Derweil finden zwei Helikopter der Luftwaffe ihren Weg zwischen tief hängenden Wolken und landen etwas ausserhalb des Dorfs. Fünf Männer in Uniform warten auf dem Landeplatz. Darunter ein Schweizer. «Für mich ist der Einsatz als Uno-Peacekeeper der Ritterschlag als Offizier», sagt Thomas Scheiwiller (26), kurz bevor er in die Maschine steigt.

Traum vom Einsatz in Kaschmir

Er träumt von einem Einsatz im Kaschmirtal, rund 6000 Kilometer östlich von Appenzell, Zankapfel der Atommächte Indien und Pakistan. Ein Konflikt, dem bereits Tausende zum Opfer gefallen sind.

Noch ist Scheiwiller nicht in Kaschmir, sondern inspiziert aus der Luft die Stellungen am Boden. Er beurteilt, ob die winkenden Soldaten neben der Kinderrutschbahn den fiktiven Waffenstillstand verletzen oder nicht. Begleitet wird Scheiwiller von Major Nshimiyimana Ngabo (45) aus Ruanda und dem georgischen Oberstleutnant Ramazi Khutsishvili (40). Manche Manöver des Piloten sind für einen zivilen Beobachter an Bord schwer verdaulich. Sein Frühstück landet nach einer guten Viertelstunde in der Papiertüte.

Realistische Situationen simulieren

Scheiwiller gibt sich unbeeindruckt. «Ich schauspielere nicht», sagt er ganz im Sinne seines Vorgesetzten. «Wir versuchen in diesem Kurs möglichst realistische Situationen zu simulieren», sagt Oberst im Generalstab Markus Schmid (47), Chef von Swissint, dem Ausbildungszentrum für die militärische Friedensförderung der Armee. Er führt Regie bei dieser Übung im Ostschweizer Hinterland: «Wenn wir merken, dass ein Offizier nicht geeignet ist, dann geht er dementsprechend nicht ins Ausland.» 

«Ist ein Offizier ungeeignet, geht er nicht ins Ausland»: Oberst im Generalstab Markus Schmid, Chef von Swissint.
Foto: Thomas Meier

Scheiwiller hat den Eifer seines Vorgesetzten verinnerlicht. Ob er im Helikopter nach Soldaten Ausschau hält oder einen als Milizionär Kostümierten befragt.

Wie arrangiert man einen Gefangenenaustausch? 

Rund eine Stunde dauert diese Begegnung im Vereinslokal der Sportschützen Gais AR. Die Anwesenden sprechen englisch und spielen den Versuch, einen Gefangenenaustausch in die Wege zu leiten. Was für Aussenstehende wie das quälend lange Spiel eines Laientheaters wirkt, scheint den Offizieren eine willkommene Übung.

Unisono loben alle ihren jungen Schweizer Kollegen. «Ein cleverer Typ», meint Khutsi­shvili. «Aber er sollte mehr schlafen, statt immer zu trainieren!» Der Georgier und der Offizier aus Ruanda haben am eigenen Leib erfahren, was es heisst, wenn ein Krieg ihr Land heimsucht. Khutsishvili kämpfte 2008 gegen die Russen. «Ich hatte Glück», berichtet er. Sieben Kameraden habe er in einer einzigen Nacht verloren, als die Angreifer ihre Basis überfielen.

Major Ngabo aus Ruanda: «Ich habe alles gesehen»

Angesprochen auf den Genozid in seiner Heimat vor über 20 Jahren, sagt der Major aus Ruanda: « Ich habe alles gesehen.» Und ja, auch er habe gekämpft damals. Details nennt er nicht: «Kommen Sie nach Ruanda und sehen Sie selbst.» Aber er habe gelernt, dass sich Feinde versöhnen können. «Darum geht es: um Versöhnung.» Die Uno könne dabei helfen. «Und darum bin ich hier.» Sagts und marschiert zum Rapport, um den Frieden in Appenzell zu sichern. l

In Korea wurde der Kalte Krieg schlagartig heiss: 1950 überfiel der kommunistische Norden, später von China unterstützt, den westlich orientierten Süden des Landes. UN-Truppen unter Führung der USA griffen ein. Ab 1953 half ein Schweizer Kontingent bei der Friedenssicherung. Heute dienen rund 300 Armeeangehörige ausserhalb der Schweizer Landesgrenzen, 230 davon im Kosovo. Koordiniert wird deren Ausbildung und Führung in der Kommandostelle Swissint in Stans.

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