Üble Nachrede in einem Leserbrief
Alle fünf Gemeinderäte von Sargans SG erhalten Strafbefehl

Sie wollten sich gegen Vorwürfe einer Bürgerin wehren, stattdessen droht fünf Sarganser Politiker nun ein Strafregistereintrag. Die Gemeindeführung soll einer Kritikerin unterstellt haben, Falschmeldungen zu verbreiten.
Publiziert: 22.07.2020 um 17:01 Uhr
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Aktualisiert: 26.05.2021 um 08:02 Uhr
Marco Latzer

Knall im Rathaus von Sargans SG. Wegen Aussagen in einem Leserbrief erhalten alle fünf Gemeinderatsmitglieder des 6100-Einwohner-Städtchens bedingte Geldstrafen per Strafbefehl. Der Vorwurf: Gemeindepräsident Jörg Tanner (43) sowie seine Amtskollegen Christian Lamm (54), Hans Bärtsch (63), Bernhard Hauser (62) und Roland Wermelinger (52) sollen sich der mehrfachen üblen Nachrede schuldig gemacht haben.

Im Februar 2019 gehen die Amtsträger in der Lokalzeitung «Sarganserländer» gegen Aussagen der Leserbriefschreiberin Alexa Casutt (54) vor. Die politisch interessierte Bürgerin hatte die Gemeinde bezüglich der Weihnachtsbeleuchtung und ihrem Vorgehen beim dortigen Schotterwerk kritisiert.

Fake-News-Vorwürfe gegen engagierte Bürgerin

In ihrer Replik werfen die Gemeinderäte Casutt an den Kopf, «in losen Abständen immer wieder Falschmeldungen zu verbreiten» und «Fakten wider besseres Wissen (zu) verdrehen». Weiter heisst es im Leserbrief: «Der Gemeinderat Sargans ist dankbar für alle kritisch-konstruktiven, sich auf Tatsachen beruhende Rückmeldungen. Schabernack gehört aber an die Fasnacht.»

Strafbefehl erhalten: Gemeindepräsident Jörg Tanner (43).
Foto: Zvg
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Die Unterstellungen schlagen Alexa Casutt schwer auf den Magen. «Das ist Rufmord!», ärgert sie sich gegenüber BLICK und spricht von einem Kampf wie bei David gegen Goliath. Weil sie mit einem Weiterzug rechne, wolle sie sich nicht im Detail zum Fall äussern. Trotzdem sagt Casutt: «Man hat mich als Lügnerin hingestellt.»

Auch Gemeindepräsident Jörg Tanner verweist auf das laufende Verfahren. «Alle Gemeinderäte haben den Brief mitgeschrieben, aber jeder muss nun für sich entscheiden, ob er das Urteil akzeptiert. Ich werde es mit grösster Wahrscheinlichkeit weiterziehen», verrät er.

Leserbrief war humorvoll gemeint

Das Gemeindeoberhaupt macht keinen Hehl daraus, vom Strafbefehl überrascht worden zu sein. «Der Leserbrief war eigentlich humorvoll gedacht und wurde in der Fasnachtszeit geschrieben», so Tanner. Er findet, man müsse sich doch wehren können, wenn man öffentlich angegriffen werde.

Das bestreitet nicht einmal die zuständige Staatsanwältin. Diese schreibt in ihrem Strafbefehl aber: «Der Gemeinderat hätte sich auf eine Richtigstellung beschränken und diese sachlich halten können. (...) Die genannten Formulierungen dienten vorwiegend dazu, Alexa Casutt Übles vorzuwerfen.» Die Strafbefehle sind noch nicht rechtskräftig. Es gilt die Unschuldsvermutung.

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