Betrüger ruinieren Thomas D. (71) – dann wird er selbst zum Täter
Kassier erleichtert Versicherung um 400'000 Franken

Im März 2024 machte ein Betrugsfall Schlagzeilen: Der Kassier der Pferdeversicherung Bischofszell TG hat insgesamt 400'000 Franken aus der Kasse in die eigene Tasche gewirtschaftet! Nun muss sich Thomas D. sich vor dem Bezirksgericht Weinfelden verantworten.
Publiziert: 00:00 Uhr
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Der Kassier zügelte mutmasslich über 400'000 Franken aus der Vereinskasse ab. Die Pferdeversicherung informierte ihre Genossenschafter in der Einladung zur Generalversammlung.
Foto: zVg

Darum gehts

  • Kassier klaut 400'000 Franken aus der Kasse der Pferdeversicherung Bischofszell
  • Bevor er kriminell wurde, nahmen ihn Betrüger nach Strich und Faden aus
  • Mit dem Verkauf eines seiner Häuser konnte er den Schaden wiedergutmachen. Jetzt steht er vor Gericht
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sandro ZulianReporter News

Weshalb klaut ein gut situierter Pferdezüchter mit Eigenheim im Oberthurgau und Ferienhaus in Graubünden fast eine halbe Million Franken? Im März 2024 melden anonyme Tippgeber Blick Brisantes: Bei der Pferdeversicherung Bischofszell TG hat der langjährige Kassier klammheimlich und immer wieder Geldbeträge in die eigene Kasse gewirtschaftet. So kam ein stattlicher Betrag von insgesamt 402'000 Franken zusammen.

Blick berichtete damals über die Vorfälle, über die Reaktion der Genossenschafter an der Generalversammlung, über die Reaktion des Präsidenten der Pferdeversicherung, über die eingeleitete Untersuchung der Staatsanwaltschaft Thurgau und über den Täter. «Ich will ja mal sehen, was ihr macht, wenn es euch beschissen geht», schnauzte dieser den Reporter auf seinem Hof an. Und dann: «Ich zerreisse euch auf der Strasse!»

Der Betrüger war selber Opfer von Betrügern

Jetzt ist klar, wieso. Der Druck, den der Landwirt Thomas D.* (71) damals gespürt und heute noch spüren muss, dürfte riesig sein. Denn bevor er selbst zu einem wurde, ging er selbst, gemäss Anklageschrift, Betrügern auf den Leim!

Die Thurgauer «Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstraffälle und organisierte Kriminalität», die Thomas D. angeklagt hat, schreibt: «Thomas D. hatte im Rahmen eines Wiederherstellungsbetruges, eines sogenannten Recovery Scams, erhebliche Geldmittel verloren.»

Ein «Recovery Scam» ist eine Betrugsmasche, bei der Kriminelle vorgeben, verlorene Daten wiederherstellen zu können, um Geld oder Zugang zu Geräten zu erlangen. Sie nutzen den Stress der Betroffenen aus, verlangen meist Vorauszahlungen und liefern entweder gar keine Dienstleistung oder installieren Schadsoftware, um Geld zu stehlen.

Einfach gesagt: Erst wurde Thomas D. von Betrügern nach Strich und Faden ausgenommen. Und als wäre das nicht genug, investierte er nochmals Geld in vermeintliche Helfer, die ihm anboten, das verlorene Geld wieder zurückzubekommen. Deren einziges Ziel aber war, ihn noch weiter auszunehmen.

Weil der Landwirt danach faktisch pleite war, fing er gemäss Anklage an, die Pferdeversicherung zu erleichtern. Von März bis Dezember 2023 machte er insgesamt 19 Überweisungen und Abhebungen vom Genossenschaftskonto. So kamen insgesamt 402'000 Franken weg. Knapp 395'000 Franken davon «überwies er mittels Banküberweisung nach Grossbritannien und an weitere Geldempfänger», so die Staatsanwaltschaft.

Staatsanwaltschaft lässt Milde walten

Die Staatsanwaltschaft stellt dem Beschuldigten dennoch ein gutes Zeugnis aus. Sie schreibt: «Er tätigte die Geldbezüge in einer vagen Hoffnung, sein privat investiertes Geld zurückzuholen und – so weit möglich – die Gelder der Pferdeversicherung zurückzuerstatten.» Seine kriminelle Energie sei «nicht besonders ausgeprägt». Beim Beschuldigten handle es sich um einen «mittlerweile pensionierten Landwirt mit bislang tadellosem Leumund».

Was gemäss Staatsanwaltschaft «in ganz erheblichem Ausmass» strafmildernd ist: «Er leistete eine vollständige Wiedergutmachung, welche er aus dem Verkauf eines eigenen Hauses finanzierte und somit den ganzen Schaden zurückzahlte.» Zudem zeigte sich Thomas D. bereits im Dezember 2023 selber bei der Thurgauer Kantonspolizei an. Er sei vollständig geständig und kooperativ gewesen, weshalb die Anklage auch auf ein Tätigkeitsverbot verzichtet.

«Sauhünd!»

Gegenüber der geschädigten Pferdeversicherung und gegenüber den Strafverfolgungsbehörden gibt sich Thomas D. geläutert. Nicht so gegenüber den Medien. «Sauhünd!», poltert er, als Blick bei ihm für eine Stellungnahme nachfragt. Ein weiteres Gespräch wird verweigert. Ähnlich tönte es schon vor einem Jahr persönlich gegenüber Blick und auch die Redaktorin der «Thurgauer Zeitung» musste sich damals anhören, sie habe «ein tiefes Niveau».

Thomas D. (71) muss sich am Donnerstag vor dem Bezirksgericht Weinfelden TG verantworten. Ihm wird mehrfache, ungetreue Geschäftsbesorgung (in Bereicherungsabsicht), mehrfache Urkundenfälschung und mehrfache Geldwäscherei vorgeworfen. Ihn erwartet eine einjährige Gefängnisstrafe auf Bewährung. Die Probezeit beträgt zwei Jahre. Zudem soll er die Verfahrenskosten in Höhe von knapp 6000 Franken tragen. Er ist geständig, das Verfahren wird deshalb abgekürzt geführt. Ein abgekürztes Verfahren bedeutet, dass die beschuldigte Person die Anklage anerkennt und das Gericht ohne volle Beweisaufnahme ein deutlich schnelleres Urteil fällt.

Blick berichtet am Donnerstag live aus dem Gerichtssaal. 

* Name geändert 

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