Das Ausserrhoder Kantonsgericht hat am Dienstag den Fall eines 51-jährigen Mannes behandelt, dem vorsätzliche Tötung vorgeworfen wird. Nach Streitigkeiten, an denen sein Sohn beteiligt war, hat er einen Mann erstochen. Dafür wurde er zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt.
Im März 2015 war es am Tag nach einer Schlägerei unter Jugendlichen in Heiden zu einer Aussprache auf dem Vorplatz eines Schulhauses gekommen.
Der Sohn des Angeklagten, der in die Rauferei involviert war, nahm daran teil. Als er feststellte, dass einige der anderen Jugendlichen von ihren Vätern begleitet wurden, telefoniert er nach Hause. Daraufhin machte sich sein Vater auf den Weg und nahm ein Küchenmesser mit.
Messer statt Aussprache
Statt zu einer Aussprache kam es dann aber zu Beschimpfungen und Rangeleien. Zwischen dem Angeklagten und dem Vater eines anderen Jugendlichen brach ein Streit aus, der eskalierte. Der Mann zückte sein Messer. Im Verlauf eines Handgemenges stiess er es seinem Kontrahenten in die Brust. Die Stichverletzung war tödlich.
Vor dem Ausserrhoder Kantonsgericht ging es hauptsächlich um die Frage, was vor dem tödlichen Stich passiert war: Wurde der Angeklagte zuerst ausgelacht, dann bedroht und schliesslich gewürgt, sodass er aus Notwehr reagierte? Oder war er es selber gewesen, der die zuvor friedliche Stimmung mit Beschimpfungen und Aggressionen aufgeheizt hatte, wie es der Vertreter der Staatsanwaltschaft schilderte.
Täter kam aus dem Kosovo
Die Familien des Angeklagten und des Opfers kannten sich. Es habe zwischen ihnen vor dem Vorfall aber keine Probleme gegeben, hiess es mehrmals an der Verhandlung. Der 51-jährige Beschuldigte stammt - wie auch das Opfer - aus dem Kosovo und lebt seit 1990 in der Schweiz.
Sein Verteidiger argumentierte, sein Mandant sei zwar der vorsätzlichen Tötung schuldig zu sprechen. Allerdings habe er aus Notwehr gehandelt, weil er gewürgt worden sei. Das müsse sich auf das Strafmass auswirken. Der Anwalt kritisierte zudem, dass bei einem Teil der Einvernahmen das Teilnahmerecht seines Mandanten von der Staatsanwaltschaft missachtet worden sei. Die Zeugenaussagen seien deshalb nicht verwertbar.
Nach dem Grundsatz «in dubio pro reo» (im Zweifel für den Angeklagten) müsse sich aus diesem Grund das Gericht auf die Schilderungen des Beschuldigten abstützen. Dieser habe unter Todesangst in Notwehr gehandelt. Der Verteidiger verlangte für seinen Mandanten eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als drei Jahren. Die Hälfte sei bedingt auszusprechen.
Keine Notwehr
Der Vertreter der Anklage forderte hingegen wegen vorsätzlicher Tötung eine Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren. Keiner der Zeugen habe beobachtet, dass der Angeklagte gewürgt worden sei. Auch eine gerichtsmedizinische Untersuchung habe dafür keinen Hinweis ergeben.
Der Angeklagte habe die Konfliktsituation selber herbeigeführt. Er habe ein Messer mitgenommen und es bei der Auseinandersetzung gezielt und mit hohem Kraftaufwand eingesetzt. Den Vorwurf von Verfahrensfehlern wies der Staatsanwalt zurück.
Das Ausserrhoder Kantonsgericht verurteilte den 51-jährigen Mann nach mehrstündiger Beratung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren. Die Untersuchungshaft von 149 Tagen wird angerechnet.
Nach Ansicht des Gerichts sei der Angeklagte, als er zustach, von keinem akuten Angriff bedroht gewesen, der die Notwehr gerechtfertigt hätte, erklärte die Gerichtspräsidentin. Das Geständnis habe sich leicht strafmildernd ausgewirkt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (SDA)