Darum gehts
- Vier Leichen an Heiligabend gefunden, Todesursachen noch immer unklar
- Die Toten sind eine vierköpfige Familie, Sohn war von Gemeinde suspendiert worden
- Bevölkerung in Liechtenstein ratlos
Ein eisiger Wind zieht durch das Rheintal, eine dünne Schicht Schnee bedeckt die Baumwipfel im Fürstentum Liechtenstein. Vor einem weissen Haus im Süden von Vaduz herrscht Ruhe. «Keine Auskunft, wir müssen uns schützen», sagt eine Anwohnerin durch die Gegensprechanlage.
Das Mehrfamilienhaus liegt aktuell im Zentrum der wohl grössten Justiz-Ermittlungen, die das Ländle in den vergangenen 25 Jahren gesehen hat. Der Vierfach-Leichenfund von Vaduz ist einer der aufsehenerregendsten Fälle der jüngeren Geschichte. Und er könnte mysteriöser nicht sein.
Vier Tote an Heiligabend
Am 24. Dezember 2025, Heiligabend, findet die Kantonspolizei St. Gallen um 10.30 Uhr am Rheinufer, nördlich der alten Rheinbrücke auf dem Gemeindegebiet Sevelen SG eine Leiche. Es ist der Liechtensteiner Moritz G.* (†41). Todesursache: unklar.
Die weiteren Ermittlungen führen die Landespolizei Fürstentum Liechtenstein in das weisse Haus in Vaduz, knapp anderthalb Kilometer entfernt. In einer Wohnung finden die Beamten drei weitere Leichen. Es handelt sich um den Vater (†73), die Mutter (†68) und die Schwester (†45) von Moritz G. Die Todesursache auch bei ihnen: unklar. Vier Menschenleben an einem Tag ausradiert – ausgerechnet an Heiligabend.
Zu Weihnachten publiziert die Landespolizei ein weiteres Detail in dieser mysteriösen Geschichte. Moritz G. war «Mitarbeiter in leitender Position der Gemeinde Triesen» und seit wenigen Tagen suspendiert. Der Grund: «Unregelmässigkeiten in der Gemeindekasse». Es fehlen über 70'000 Franken. Für Moritz G. galt die Unschuldsvermutung.
«Ein scheuer Mann»
In Triesen kennt man den suspendierten Leiter Finanzwesen, der an Heiligabend am Rheinufer gefunden wurde, gut. «Er war ein zurückgezogener, scheuer Mann, hatte keine Frau und keine Kinder», erzählt eine Frau.
Einer der wenigen Liechtensteiner, der mit Blick vor der Kamera spricht, ist Helmut Ritter (82), Rentner aus Balzers LI. Ihn beschäftigen vor allem die Hinterbliebenen: «Man leidet mit. Man kann sich kaum vorstellen, was bei der Verwandtschaft jetzt abgehen muss. Es ist unbegreiflich, dass so ein schlimmer Fall passiert ist.»
Auch Unbeteiligten gehe ein Fund von vier Leichen nahe: «Es geht einem nicht aus dem Kopf. Man denkt über die Ursache nach. Es ist überall Thema, es beschäftigt alle.» Schrecklich sei dieser Vorfall, schwierig, damit umzugehen. «Ein kollektiver Schock. Man ist sprachlos, man kann fast nicht mehr dazu sagen. Und man hat keine Antworten.»
Viele offene Fragen – keine Antworten
Bis heute gibt es keine neuen Informationen. Weder zu den Gründen, die zum Tod von vier Menschen geführt haben, noch zu einem möglichen Tatmotiv – vorausgesetzt, es hat überhaupt ein Verbrechen stattgefunden. Denn an allen Medienmitteilungen der Landespolizei gibt es eine auffällige Gemeinsamkeit: Es steht nirgends ein Wort von einem Täter oder einem Tatverdächtigen. Nur von «leblosen Personen», die «gefunden» wurden. Was ist in diesem Haus geschehen?
Eine Frage, auf die auch die Bevölkerung der 40'000-Seelen-Nation keine Antwort weiss. Die Gerüchteküche brodelt. Hat Moritz G. die 70'000 Franken gestohlen? Gab es einen Familienstreit an Heiligabend? War es ein Racheakt des Sohnes? Oder ist die gesamte Familie freiwillig aus dem Leben geschieden?
Auch der Fürst äussert sich nicht
Die Staatsanwaltschaft schreibt Blick auf Anfrage: «Es kann derzeit nicht abgeschätzt werden, wann mit neuen, relevanten Erkenntnissen gerechnet werden kann.»
Nicht einmal der Fürst von und zu Liechtenstein möchte sich zur grössten Tragödie der letzten Jahrzehnte äussern. Das Sekretariat Seiner Durchlaucht schreibt Blick auf Anfrage: «Seitens des Fürstenhauses wird zu diesem Vorfall keine Stellungnahme erfolgen.»
«Wegen 70'000 Franken?»
Die Gemeindeverwaltung Triesen, die Moritz G. am 19. Dezember «von seinen Aufgaben entbunden und bis auf Weiteres suspendiert» hat, reagiert gar nicht auf eine Anfrage von Blick. Am Eingang des Gemeindehauses hängt ein Zettel. Die Gemeinde ist über Weihnachten und Neujahr geschlossen. «Wir wünschen Ihnen frohe Festtage.»
Zurück zum Haus in Vaduz. Ein Mann, der die Familie kannte, spricht mit Blick. Speziell die Mutter sei ihm im Gedächtnis geblieben. «Sie war eine unendlich liebe Person, die sehr fehlt», sagt er.
* Name geändert