Darum gehts
- Deutscher Politiker zeigt Schweizer wegen Beleidigung auf X an
- Strafbefehl: 1500 Franken bedingte Geldstrafe – Empfänger hat Einsprache eingelegt
- Hassrede und Propaganda auf X stark zugenommen seit Musks Übernahme
Das Internet ist ein spezieller Ort. Mit wenigen Klicks findet man praktisch das vollständige Wissen der gesamten Menschheit. Mit ebenso wenigen Klicks erhält man aber auch glühenden Hass und Hetze. So zum Beispiel auf der Plattform «X».
Seit der Übernahme des Kurznachrichtendiensts durch Tech-Milliardär Elon Musk grassiert dort der Hass noch deutlich stärker als zu der Zeit, als er noch Twitter hiess. Im Sommer 2023 wurden 62'000 Accounts wieder freigeschaltet, die zuvor wegen Volkshetze und Aufruf zur Gewalt gesperrt waren.
X ist teilweise ein Schlachtfeld von Beleidigungen und Feindseligkeiten. Manche Politiker, Prominente und Personen des öffentlichen Lebens haben sich schon vor einiger Zeit abgemeldet.
Hobby-Politiker gegen Berufspolitiker
Einer, der unbeirrt weiter auf X schaltet und waltet, ist der deutsche CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter (61). Seit 2009 im Bundestag, schwimmt der Vollblut-Politiker und Ex-Militär auf X oft gegen den Strom. Der Politiker aus Baden-Württemberg vertritt teils Meinungen, die vielen – und vor allem den radikalisierten – X-Nutzern nicht passen. Ein Beispiel: Er stellt sich seit dem Start des russischen Angriffskriegs unerbittlich auf die Seite der Ukraine.
Einer, dem das gar nicht gefällt, ist Peter L.* (52). Der Schweizer aus dem beschaulichen Kirchberg SG ist Mitglied des «Verfassungsbündnis Schweiz», ein politischer Aktivist. Er wittert, wie einschlägige Plakate an seinem Wohnort zeigen, beim World Economic Forum (WEF) den «Great Reset». Nationalräte sind für ihn «Meineidige», weil sie seiner Ansicht nach ihr Gelübde oder ihren Eid verletzten.
Die Corona-Zeit nennt er «Terror» seitens Behörden und auch die Politik im Ausland macht ihn wütend. Über Mitglieder der deutschen Grünen-Partei sagt er ernsthaft: «Die olivgrünen Kriegstreiber sind die wahren Erben der NSDAP.»
In mehreren Posts pro Tag bekommen auch CDU-Kanzler Friedrich Merz (69) und Ursula von der Leyen (66, CDU), die Präsidentin der Europäischen Kommission, ihr Fett weg. Letztere nennt er «Gauleiterin Borderleyen.»
Dass Peter L. und der CDU-Mann Roderich Kiesewetter das politische Heu nicht auf der gleichen Bühne haben, dürfte nach einem kleinen Abstecher auf Peter L.s X-Profil auf der Hand liegen.
Donnerwetter vom Kiesewetter
Jetzt ist der Toggenburger aber allem Anschein nach zu weit gegangen – und er hat die St. Galler Justiz auf den Plan gerufen. Blick-Recherchen zeigen: Peter L. hat Roderich Kiesewetter – ganz schweizerisch gesagt – Schlötterlig angehängt. Auf X soll L. in einem Kommentar geschrieben haben, dass Kiesewetter «eines der primitivsten deutschen A****löcher der Jetztzeit» sei. So steht es im Strafbefehl der Staatsanwaltschaft St. Gallen.
Doch der Schreibtischtäter machte die Rechnung ohne den altgedienten Politiker. Kiesewetter reagierte mit einem Donnerwetter und zeigte den Hobby-Politiker aus dem Toggenburg kurzerhand an! Die Staatsanwaltschaft kommt zum Schluss, dass der Politiker durch Peter L.s Äusserung «in seiner Ehre verletzt wurde».
Inklusive Busse und Gebühren muss der Toggenburger wegen Beschimpfung fast 1000 Franken hinblättern. Zudem kassiert er eine bedingte Geldstrafe 1500 Franken bei einer Probezeit von zwei Jahren.
Peter L. hat Einsprache erhoben
Auf Nachfrage bestätigt die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, dass gegen den Strafbefehl Einsprache erhoben wurde. Blick versuchte mehrfach, den mutmasslichen Internet-Rüpel zu kontaktieren. Er reagierte nicht. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.
Roderich Kiesewetters Bundestagsbüro gibt zumindest Antwort, wenn auch sehr knapp: «Vielen Dank für Ihre Anfrage. Jedoch möchte Herr Kiesewetter sich nicht dazu äussern. Wir bitten um Verständnis.»
Gut möglich, dass der CDU-Politiker schon bald in die Schweiz kommt. Allerdings nicht auf Staatsbesuch in Bern, sondern ins ländliche Lichtensteig SG – ans Kreisgericht Toggenburg.
* Name geändert