St. Gallen klärt jährlich 400 Jugendliche ab
100 davon landen bei der Staatsanwaltschaft

Die St. Galler Behörden hatten das russische Profil des späteren Beil-Amoks übersehen. Der oberste Staatsanwalt Thomas Hansjakob sagt, dass man in dem Fall nichts mehr hätte machen können.
Publiziert: 25.10.2017 um 11:27 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 19:50 Uhr
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Sascha I. fiel den Behörden bereits seit Juni auf.
Foto: Zvg
Michael Sahli und Marlene Kovacs

Bereits kurz nach der Bluttat von Sascha I.* (17) kam die Frage auf: Hätte man den Amoklauf verhindern können? Denn: Beil-Amok Sascha I.* (17) wurde mehrfach auffällig, äusserte etwa in der Berufsschule Gewaltfantasien. Die Kriseninterventionsgruppe des Schulpsychologischen Dienstes des Kantons klärte den Metallbau-Lehrling darauf ab. Kam aber zum Schluss, dass I. nicht gefährlich sei.

Nur: Die Behörden hatten das russische Profil des späteren Beil-Amoks übersehen. Eine Internetrecherche hatte stattgefunden. «Seine russische Social-Media-Seite haben wir dabei nicht entdeckt», sagt Ralph Wettach (49), Direktor des Schulpsychologischen Dienstes.

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Der 17-jährige Sascha I. lief am 22. Oktober 2017 in Flums Amok. Seine zuvor geäusserten Gewaltfantasien deuteten auf eine Gefährdung der Öffentlichkeit hin.
Foto: Zvg

BLICK enthüllte am Morgen nach der Tat: Auf «VKontakte» schwärmte I. von Hitler, Genozid und Kinderschlachten. FDP-Nationalrat Marcel Dobler kritisierte in «20 Minuten», dass man das Social-Media-Profil des 17-Jährigen nicht gefunden hatte. Die Überprüfung des Jungen sei darum «nicht seriös» abgelaufen, so das Urteil des Politikers.

Hansjakob lässt Vorwürfe nicht auf sich sitzen

Thomas Hansjakob, oberster Staatsanwalt des Kantons St. Gallen, will diese Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen: «Man hätte in diesem Fall nicht mehr machen können.» Insgesamt würden bei der St. Galler Krisenintervention etwa 400 Jugendliche pro Jahr abgeklärt. Dies betreffe aber nicht nur potenzielle Gewalttäter, sondern auch Jugendliche, die suizidgefährdet seien. «Bis zu 100 Fälle davon landen dann schliesslich bei der Staatsanwaltschaft, die haben wir dann auf dem Radar oder leiten weitere Massnahmen ein.»

Aber nicht nur die Masse sei ausschlaggebend: «Vor 10 Jahren wären die Aussagen, die bei Sascha I. zur Abklärung führten, wahrscheinlich völlig unbeachtet geblieben. Die Aussagen waren nicht konkret gegen eine Person gerichtet. Es wurde auch keine Tat angekündigt», sagt der oberste Staatsanwalt. Somit sei die rote Linie nicht überschritten worden.

«Wir würden den ganzen Tag nichts anderes mehr machen»

Schliesslich sei es auch eine Frage der Kapazitäten: Würde man jeden Jugendlichen aufgrund von eher banalen Aussagen dermassen genau abklären wie den späteren Beil-Amok, «würden wir den ganzen Tag nichts anderes mehr machen», erklärt Hansjakob. Punkto Risikoabschätzung sei der Kanton St. Gallen im Vergleich zu anderen Kantonen bereits sehr professionell.

«Ob wir unsere Internet-Recherchen weiterentwickeln müssen und allenfalls mehr Ressourcen benötigen, kann heute nicht gesagt werden. Wir prüfen nun aber, ob es Änderungen braucht», sagt Wettach.

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