Die Sache ist ihm äusserst unangenehm. «Ich habe die kritische Distanz verloren und mich zu sehr auf meinen Fall versteift», sagt Anwalt Ahmet F.* (45) zu BLICK. Von über 400 im St. Galler Anwaltsregister eingetragenen Juristen ist er der einzige mit einem Berufsverbot.
Während eines Jahres darf der leidenschaftliche Strafverteidiger nur noch beratend tätig sein, aber keine Gerichtsprozesse mehr führen. Zum Verhängnis wurde ihm das Skandal-Verfahren gegen Arton A.** (29) im Jahr 2016. Der Kosovare musste vor Gericht, weil er drei Frauen teils vergewaltigt, spitalreif geprügelt und gestalkt hatte.
Dubiose Rolle des Verteidigers
Später bestätigt das Bundesgericht eine vierjährige Haftstrafe und eine stationäre Massnahme. Für Schlagzeilen sorgt damals der Verdacht, dass das Umfeld des Täters die Opfer eingeschüchtert haben könnte (BLICK berichtete).
Die Folge: Trotz starker Beweise wie Arztberichte oder SMS-Nachrichten sagten die gepeinigten Frauen plötzlich zugunsten des Vergewaltigers aus. Nur weil die Richter damals kühlen Kopf bewahren, bleibt der Strassenbauer bis heute weggesperrt.
In diesem Dunstkreis wirbelt auch Ahmet F. als Verteidiger von Arton A. - er gibt zu, mit einem der Opfer zweimal Kontakt gehabt zu haben. «Sie hat sich von sich aus bei mir gemeldet», betont der Anwalt.
Gespräche nicht protokolliert
Zum Inhalt der Gespräche will der Jurist nichts sagen. Sie hätten aber nichts gebracht, so F. Eine Zeugenbeeinflussung schliesst er aus.
Ihm sei bloss vorzuwerfen, die Gespräche mit dem Opfer nicht protokolliert zu haben und keine Drittperson beigezogen zu haben. «Ich wollte meine Arbeit wohl zu gut machen, habe aber nicht sauber gearbeitet. Jetzt akzeptiere ich meine Strafe», sagt F. kleinlaut.
Dies aber erst, nachdem das Bundesgericht das einjährige Berufsverbot bestätigt hat. Aus dem Urteil geht hervor: Ahmet F. ist ein Wiederholungstäter. Der HSG-Absolvent wurde schon 2010 mit einem Job-Verbot belegt, weil er eine AG-Gründung falsch beurkundet hatte.
Anwalt ist Wiederholungstäter
Auch 2014 wurde F. nach einem weiteren Disziplinarverfahren mit einer Busse bestraft. In Bezug auf den Vergewaltigungsfall schreibt das Bundesgericht: «So weckt das Vorgehen des Beschwerdeführers ernsthafte Zweifel an seiner charakterlichen Eignung für den Anwaltsberuf.»
Ahmet F. widerspricht und sagt zu BLICK: «Ich bin einfach ein sehr engagierter Anwalt. Für meine Klienten gebe ich vollen Einsatz.» Und er hat Glück im Unglück. Weil es im St. Galler Anwaltsgesetz keine klare Regelung gibt, darf er sich auch während seiner einjährigen Sperre als Rechtsanwalt bezeichnen.
Gegenüber BLICK kündigt Jürg Diggelmann, Präsident der Anwaltskammer an, das durch F. offengelegte Schlupfloch nun mit einer Gesetzesänderung schliessen zu wollen. «Wenn wir jemandem die Bezeichnung als Rechtsanwalt verbieten wollen, sprechen wir nicht von einer Lappalie», so Diggelmann.
* Name geändert
** Name bekannt