Beinahe wäre Mehdi E.-B. erneut davongekommen. Als die Schweizer Grenzwächter vergangenen Mittwoch die Personalien des 19-jährigen Marokkaners aufnehmen und mit den grenzübergreifenden Polizeidatenbanken vergleichen, schlägt das System keinen Alarm. Ein Haftbefehl gegen den Ladendieb, den die Behörden dank eines Konstanzer Detektivs in einem Café in Kreuzlingen schnappen konnten, liegt offenbar nicht vor.
Ein Irrtum, der erst ans Licht kommt, als vorsichtshalber auch die anwesenden deutschen Polizisten E.-B.s Personalien durch ihre Datenbanken laufen lassen. Sie stellen fest: Der junge Asylbewerber wird international gesucht – mit einem europäischen Haftbefehl, ausgestellt durch die Staatsanwaltschaft Köln. Bei Mehdi E.-B. soll es sich um einen der Haupttäter des Sex-Mobs von Köln handeln, die in der vergangenen Silvesternacht Dutzende Frauen bestohlen und sexuell genötigt hatten.
Haftbefehl nur für EU-Staaten sichtbar
Dass der Haftbefehl für die Schweizer Behörden nicht ersichtlich war, ist unverständlich. Europäische Haftbefehle werden im Schengener Informationssystem gespeichert, dem auch die Schweiz als Mitglied angeschlossen ist. Wie die «SonntagsZeitung» heute schreibt, muss eine Schlamperei der deutschen Behörden Grund für die Informationslücke gewesen sein. So war der Haftbefehl offenbar nur für EU-Staaten des Schengen-Raums zugänglich – und nicht für die Behörden der EFTA-Staaten Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein.
Wie konnte es zu diesem Fehler kommen? Das deutsche Bundeskriminalamt gibt sich auf Anfrage der «SonntagsZeitung» wortkarg. «Wir prüfen den Vorfall intensiv», teilt das Amt einzig mit.
Asylgesuch in Kreuzlingen gestellt
Mehdi E.-B. befand sich zum Zeitpunkt seiner Festnahme seit mindestens zwei Wochen in der Schweiz. Mitte April hatte er im Empfangszentrum Kreuzlingen ein Asylgesuch gestellt, wegen des verschlampten Hafbefehls blieb der mutmassliche Sextäter aber unerkannt. Nun sitzt er in Auslieferungshaft. Der Marokkaner wird des Raubes und der sexuellen Nötigung verdächtigt. (lha)