Lehrling E.V. (†17) starb in illegalem Warenlift – Staatsanwalt liess Fall verjähren
Freispruch für Trödel-Ankläger

Weil er einen Fall verjähren liess, musste sich Herbert Brogli, ehemaliger Leiter der Innerrhoder Staatsanwaltschaft, am Dienstag vor Gericht verantworten. Die Verantwortlichen eines Arbeitsunfalles kamen straffrei davon, nachdem der Fall verjährte.
Publiziert: 11.08.2020 um 17:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.08.2020 um 19:27 Uhr
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Herbert Brogli (54, r.) auf dem Weg zum Prozess. Zusammen mit seinem Anwalt Andreas Fäh setzt er sich gegen den Vorwurf der Begünstigung zur Wehr.
Foto: Marco Latzer
Marco Latzer

Ein Staatsanwalt auf der Anklagebank! Weil er einen Fall verschlampt hat, musste sich der ehemalige Leiter der Innerrhoder Staatsanwaltschaft, Herbert Brogli (54), am Dienstag vor dem Bezirksgericht Appenzell verantworten. «Als Staatsanwalt will man das Recht durchsetzen. Umso härter ist es, wenn man plötzlich selbst auf der Anklagebank sitzt!»

Brogli sah sich mit dem Vorwurf der Begünstigung in drei Fällen konfrontiert (BLICK berichtete). Er soll durch trödelnde Amtsführung dazu beigetragen haben, dass drei mutmassliche Verantwortliche eines Tötungsdeliktes wegen Verjährung ungeschoren davon kamen.

Mängel an Warenlift waren offensichtlich

Im September 2010 stapelt E.V.* (†17), Lehrling in einer Appenzeller BMW-Garage, Winterreifen in einen Warenlift. Als er diesen in Bewegung setzt, wird der angehende Auto-Mechatroniker am Hals eingeklemmt. E.V. kann zwar noch den Nothalt auslösen, stirbt aber letztlich an einem Herzstillstand.

Schon früh zeichnet sich ab, dass sich das Drama hätte verhindern lassen. Der Lift war rechtlich nicht zulässig. Schon 2001 hatte das Arbeitsinspektorat gravierende Sicherheitsmängel festgestellt. Trotzdem brachte es Brogli während sieben Jahren nicht fertig, die Verantwortlichen – Lehrmeister, Garagenbesitzer und Lifthersteller – zur Verantwortung zu ziehen.

Beschuldigte setzten sich gegen Tötungsvorwürfe zur Wehr

Als er dann in letzter Minute doch noch Strafbefehle wegen fahrlässiger Tötung erliess, legten die Beschuldigten Einsprache dagegen ein. Der Fall verjährte, weil sich in der Eile kein Gerichtstermin mehr finden liess.

Ankläger Elmar Tremp, ausserordentlicher Staatsanwalt aus St. Gallen, stellt konsterniert fest: «Nach anderthalb Jahren waren die wesentlichen Ermittlungshandlungen abgeschlossen. Er liess sich danach mehr als fünf Jahre Zeit, bis er endlich Strafbefehle erliess.» Broglis Vorgehen sei «unbegreiflich» und habe das Leid der Opferfamilie jahrelang unnötig verlängert, so Tremp.

Herbert Brogli macht für sein Scheitern dagegen enorme Probleme in der kleinen Innerrhoder Staatsanwaltschaft geltend. «Wir hatten nicht genügend Ressourcen, um Altlasten abzubauen», so der ehemalige Leitende Staatsanwalt. Ständig sei ihm das dringliche Tagesgeschäft dazwischengekommen.

Staatsanwalt drohte bedingte Haftstrafe

«Ich war überzeugt, den Fall rechtzeitig durchbringen zu können, auch wenn es am Ende sportlich werden sollte. Es ist unter meiner Führung sonst nie etwas verjährt», beteuert Brogli. Ankläger Tremp sieht es anders: «Er schiebt die ganze Verantwortung auf den Arbeitgeber und Dritte, statt selbst die Verantwortung zu übernehmen.»

Das Gericht schlägt sich letztlich aber auf die Seite des Trödel-Anklägers Brogli, der heute für die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt arbeitet. «Es gibt keine Beweise, dass der Beschuldigte hat bewusst verjähren lassen», begründet der Gerichtspräsident den Freispruch. Dieser nimmt den Entscheid sichtlich erleichtert zur Kenntnis.

Schon in der Verhandlung hatte Broglis Verteidiger Andreas Fäh argumentiert, dass weder falsche Prioritätensetzung noch schlechte Organisation strafbar seien. Der Entscheid ist noch nicht rechtskräftig.

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