Horror-Freund Arton A. setzte Opfer unter Druck
Was tun gegen Zeugen-Einschüchterer?

Vor dem Kantonsgericht St. Gallen «vergass» ein Vergewaltigungsopfer plötzlich ihre belastenden Aussagen gegen den Angeklagten Arton A. Ein Staatsanwalt erklärt, was die Gesetzeshüter gegen die Einschüchterung von Zeugen machen können.
Publiziert: 11.06.2017 um 16:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 05:22 Uhr
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Auf dem Weg ins Kantonsgericht: Arton A. sieht sich mehr als Opfer, denn als Täter.
Foto: Marco Latzer
Beat Michel

Als sie in den Zeugenstand gerufen wurde, klang plötzlich alles ganz anders. Ihr Ex-Freund Arton A. (27), der diese Woche wegen Vergewaltigung vor dem St. Galler Kantonsgericht stand, sei unschuldig. Die Schläge, die Missbräuche, von denen sie der Polizei ursprünglich berichtet hatte? Habe es gar nie gegeben, sagt M.H.*.

Auch die anderen zwei Opfer, ebenfalls Ex-Freundinnen des Angeklagten, hatten bereits während der Strafuntersuchung gegen den angeklagten Kosovaren mehrfach Aussagen zurückgezogen. Der Staatsanwalt ist überzeugt: Dahinter stecken die Familie A.s, die die Frauen massiv unter Druck gesetzt haben soll. 

Dass Beschuldigte Opfer oder Zeugen zu beeinflussen, darf eigentlich nicht vorkommen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen versucht, dies mittels diversen Massnahmen zu verhindern. Doch das ist nicht immer einfach, wie der Fall Arton A. zeigt. Roman Dobler, Sprecher der Staatsanwaltschaft des Kantons St.Gallen, erklärt, warum.

Roman Dobler, Sprecher der Staatsanwaltschaft St. Gallen.

BLICK: Was kann ein Staatsanwalt tun, um Druckversuche auf Zeugen oder mutmassliche Opfer zu verhindern?
Roman Dobler: Grundsätzlich sind wir darauf angewiesen, dass uns Druckversuche gemeldet werden. Wir kriegen es ja nicht automatisch mit, wenn ein Beschuldigter oder seine Angehörigen einem Opfer oder Zeugen drohen.

Was passiert dann?
Steht ein Beschuldigter unter Verdacht, Druck auf sein Opfer auszuüben oder die Sachverhaltsfeststellung zu beeinträchtigen, können wir Untersuchungshaft oder Ersatzmassnahmen wie Kontakt-, Rayon- oder Annäherungsverbote beim zuständigen Zwangsmassnahmengericht beantragen. Je nachdem, was konkret passiert ist, können auch die Tatbestände der Drohung oder der versuchten Nötigung erfüllt sein. Dies gilt auch für allfällige Angehörige oder Freunde des Beschuldigten. Auch hier können wir, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, Untersuchungshaft oder Ersatzmassnahmen gegen diese Personen beantragen.

Was passiert, wenn eine belastende Aussage widerrufen wird?
Die Gerichte würdigen Beweise wie Aussagen frei. Die Gerichte wägen also beispielsweise ab, ob die ursprüngliche belastende Aussage oder die widerrufene entlastende Aussage glaubhafter ist.

Bei der Gegenüberstellung können sich Opfer und Täter bereits auf der Anreise begegnen. Muss das sein? Ist das nicht eine Einladung an den Täter, das Opfer einzuschüchtern?
Die Konfrontation von Opfer und Beschuldigten ist gesetzlich vorgeschrieben. Aber: Wir Staatsanwälte versuchen so wenig Berührungsflächen zu bieten wie nur möglich. Wir führen die Einvernahmen in getrennten Räumen durch. Der Beschuldigte ist dann über TV zugeschaltet. Ich lade zum Teil Beschuldigte und Opfer zeitlich versetzt vor. Oder bespreche die Anreise mit dem Opfer, beziehungsweise den Anwälten der Opfer, um eine direkte Begegnung zu vermeiden.

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