Der Fall von Jörg Leu (82) und seiner Frau (78) sorgt für Kopfschütteln. Das Strassenverkehrsamt St. Gallen lässt das Paar zu einem je rund 600 Franken teuren Arztcheck antraben, obwohl die Betroffenen erst kürzlich begutachtet wurden.
Ein Nachbar hat die beiden hinter ihrem Rücken angeschwärzt. Und hofft anscheinend, dass Leus ohne Regelverletzung aus dem Verkehr gezogen werden (BLICK berichtete). «Diese anonymen Vorwürfe sind eine Frechheit», findet der Rentner.
Eine Frage der Verhältnismässigkeit
Der Fall aus St. Gallen wirft die Frage auf, wie Strassenverkehrsämter mit Hinweisen von Denunzianten umgehen. Eine Umfrage von BLICK bei 14 kantonalen Strassenverkehrsämtern zeigt, dass sie allen externen Hinweisen nachgehen.
Die Begründung: Es liegt im Interesse der Verkehrssicherheit, gefährliche Lenker vorzeitig aus dem Verkehr zu ziehen. Allerdings: Die Administrativbehörden müssen von Gesetzes wegen den Meldern zwar Vertraulichkeit einräumen, den Vorwürfen aber nicht zwingend nachgehen.
«Wir agieren dabei im Rahmen des Verhältnismässigkeitsprinzips», teilt das Strassenverkehrsamt Bern mit. Und Claudio Reich, Leiter Bussen und Führerausweisentzüge in Graubünden, sagt, dass es durchaus Fälle gebe, in denen Vertraulichkeit Sinn mache. «Dies gilt vor allem dann, wenn im familiären Rahmen Beobachtungen gemacht werden.» Eine solche Meldung könne einen Familienstreit oder gar eine Enterbung auslösen.
Denunzianten kommen nicht zur Kasse
Doch bei Jörg Leu und seiner Frau war der Melder ein Nachbar. Was offenbar selten vorkommt. «Ich hatte in 25 Jahren noch keinen Fall mit einer Drittperson», betont Claudio Reich. In anderen Kantonen tönt es ähnlich. Die meisten Reklamationen gehen aber bei den Kantonspolizeien ein.
Pikant: Wer die Arztkosten übernimmt, falls die angeschwärzten Lenker den Untersuch bestehen, bleibt offen. Strassenverkehrsämtern steht es frei, diese zu tragen. Die Denunzianten dürfen sie hingegen nicht zur Kasse bitten, da es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt.