Dies ist die Geschichte zweier Freunde: Alexander (29) und Jonny (33). Sie kennen sich von klein auf, wachsen zusammen in Hauptwil TG auf, verbringen ihre Freizeit zusammen. Die beiden verbindet eine gemeinsame Leidenschaft: das Fischen.
«Die zwei gingen immer zusammen an den Gwandweiher, zum Karpfenfischen», sagt Bruno Moser (58), Vater von Alexander, der häufig auch Alex genannt wurde. «Oft brätelten sie dann auch dort oder zelteten. Die beiden waren die besten Kollegen, schon seit sie Buben waren.»
Bis Samstag, kurz vor 16 Uhr. Alex Moser kommt vom Baden mit seiner Schwester und dem kleinen Neffen. Er ist nah am Ufer des Weihers, vor ihm ein hoher Schilfgürtel.
Jonny M. ist schon da. Auf der anderen Seite des kleinen Gewässers. Er will Taucherli verjagen. Die Enten fressen die Köder weg, mit denen der Spengler die Fische anlocken will.
Jonny M. schiesst. Die Kugel des Kleinkalibergewehrs wird laut Tele Top von der Wasseroberfläche abgelenkt.
Der Querschläger zischt über den Weiher, durchs Schilf. Rund 50 Meter entfernt trifft die Kugel Alex Moser in die rechte Seite der Brust.
Sie durchdringt die Lunge, trennt eine Arterie durch.
Alex Moser verblutet.
Sein Freund Jonny bleibt schockiert zurück.
«Ich habe mit ihm telefoniert, er brachte zuerst kein Wort heraus», sagt Bruno Moser. «Er ist am Boden zerstört.»
«Vor acht Monaten bekam Alexander eine Stelle in Hauptwil, wo er zusammen mit seinem Cousin arbeitete. Zum ersten Mal in seinem Leben war er richtig glücklich, hatte endlich Boden unter den Füssen. Und genau jetzt musste er sterben», sagt Vater Moser.
Vorher hatte es der 29-Jährige nicht leicht. «In der Schule hatte er Probleme – er war Legastheniker. Eine Lehre konnte er nicht abschliessen», erzählt sein Vater. «Alexander war ein Chaot, ich machte mir oft Sorgen um ihn. Die heutige Welt, mit so viel Papierkrieg, hat ihn überfordert.»
Und auch sonst lief vieles gegen den jungen Thurgauer. «Sein Leben war eine einzige Pechsträhne. Er verlor ständig sein Natel. Als Alexander fünf Jahre lang bei seiner Mutter in den USA wohnte, wurde beim Hurrikan Katrina sein neues Auto überflutet», sagt Bruno Moser.
«Immer und immer wieder trat er in Fettnäpfchen. Dennoch war er überall beliebt. Ich kenne niemanden, der ihn nicht gernhatte.»
Besonders innig war die Beziehung zwischen Alexander und seiner Grossmutter. «Sie nannte ihn immer Coco, was auf Italienisch Liebling bedeutet. Sie verstarb letztes Jahr und wird mit ihm im Himmel sicher schimpfen, dass er schon bei ihr ist», sagt Moser mit Tränen in den Augen.
Noch vor wenigen Tagen redeten Vater und Sohn Moser über einen gemeinsamen Angeltrip nach Irland. «Das war ein grosser Traum. Wir zwei zusammen beim Fischen an einem glasklaren irischen See.» Es wird für immer ein Traum bleiben.
Im Dorf beschreiben die Menschen den 29-Jährigen als liebenswerten und lebensfrohen Typ. «Er war der beste Kumpel, den man sich vorstellen konnte», sagt Bruno Moser. «Auch für mich.»
«Dass ich nun meinen Sohn zu Grabe tragen muss, tut wahnsinnig weh. Es fällt mir schwer, daran überhaupt zu denken. Ich weiss nicht, ob ich eine Todesanzeige aufgeben werde», sagt der 58-Jährige. Bruno Moser möchte seinen Sohn in Hauptwil beerdigen lassen. «Das war seine Heimat. Wir lebten zwar jetzt in Amriswil, doch Alexander war Heimweh-Hauptwiler.»
Der Vater ist unendlich traurig. Kann er dem Schützen verzeihen? «Ich habe Mitleid mit ihm. Ich werfe ihm nichts vor», erklärt Bruno Moser.