Familie kritisiert St. Galler Staatsanwaltschaft
Was steckt hinter dieser Todesanzeige?

Vor mehr als 6 Monaten wird Philipp W. (†30) tot aufgefunden. Seine Familie geht von einem Verbrechen aus, doch die St. Galler Staatsanwaltschaft ordnet keine Untersuchung an. Jetzt nutzt die Familie die Todesanzeige, um die Staatsanwaltschaft öffentlich zu kritisieren.
Publiziert: 24.02.2016 um 11:02 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 13:33 Uhr
Valentin Schneeberger

«Lieber Philipp. Wir haben wirklich alles versucht, das Geschehene aufzuklären.» Mit diesen Worten der Verzweiflung beginnt die ungewöhnliche Todesanzeige, die heute im «St. Galler Tagblatt» zu lesen ist.

Sie sticht sofort ins Auge. Als Todesdatum ist der 2. August 2015 angegeben. Mehr als ein halbes Jahr später wendet sich die St. Galler Arztfamilie W. nun an ihren verstorbenen Sohn (†30). Nicht mit Worten des Abschieds: Die Familie nutzt die Todesanzeige, um die St. Galler Staatsanwaltschaft öffentlich zu kritisieren.

Konkret wirft Familie W. den Behörden vor, den Todesfall ihres Sohnes nicht untersucht zu haben – obwohl die Familie offenbar von einem Verbrechen ausgeht. «Wir glauben, dass du einer Straftat zum Opfer gefallen bist», heisst es in der Traueranzeige.

Den Grund für diesen Verdacht erklärt die Familie gleich selbst: Sie schreibt, im Blut ihres Sohnes sei Gammahydroxybutyrat, besser bekannt als K.o-Tropfen-Wirkstoff GHB, gefunden worden.

Am Schluss heisst es: «Wir wissen, dass du die K.o-Tropfen nicht selber einnehmen wolltest. Wir wissen auch, dass du nicht sterben wolltest. Dein Ziel war seit langem der Beginn.»

BLICK macht die St. Galler Staatsanwaltschaft auf die Traueranzeige aufmerksam. Sprecher Roman Dobler bestätigt auf Anfrage, dass im Todesfall von Philipp W. keine Strafuntersuchung durchgeführt wurde. «Es gab keine konkreten Hinweise auf eine Dritteinwirkung. Wir gehen in diesem tragischen Fall nicht von einer Straftat, sondern von einem Suizid aus.»

Und was ist dem gefundenen GHB im Blut des Toten? «Es ist korrekt, dass das Institut für Rechtsmedizin Spuren von GHB gefunden hat. Die Droge war jedoch nicht Todesursache.»

Zur effektiven Todesursache will Dobler keine Auskunft geben. Nur so viel: «Die Position, in der die Polizei die Leiche vorgefunden hat, spricht ebenfalls für einen Suizid.»

Es habe keine Hinweise gegeben, dass Philipp W. die Tropfen nicht freiwillig genommen habe. Dobler weist darauf hin, dass GHB – entgegen der weitläufigen Meinung – auch aus freien Stücken konsumiert werde, beispielsweise als Partydroge.

Gemäss Roman Dobler hätte die Familie die Möglichkeit gehabt, mittels Beschwerde gegen den Entscheid der Staatsanwaltschaft vorzugehen. «Das hat sie nicht gemacht. Der Fall ist für uns abgeschlossen.»

Weshalb Familie W. ihren Frust über die St. Galler Staatsanwaltschaft via Traueranzeige öffentlich gemacht hat, bleibt unklar. Die Familie war für BLICK bislang nicht zu erreichen.

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