Erbe Karl Rechsteiner (55) aus Wattwil SG muss machtlos zuschauen
«Die Kesb verschleudert unseren Besitz!»

Die Beiständin von Wilhelm Rechsteiner (83) veräussert das Vermögen der Familie, um die Kosten fürs Pflegeheim zahlen zu können. Allerdings gehe sie schlechte Deals ein, reklamiert Sohn Karl Rechsteiner. Doch die Erben sind machtlos.
Publiziert: 28.01.2019 um 00:11 Uhr
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Aktualisiert: 14.10.2019 um 16:55 Uhr
Karl Rechsteiner (55) ist sauer! Die Kesb veräusserte das Vermögen seiner Familie zu einem viel zu niedrigem Preis.
Foto: Jessica Keller
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Flavio Paolo RazzinoNachrichtenchef

Karl Rechsteiner (55) aus Wattwil SG ist wütend. Er kämpft mit aller Macht um das Familienvermögen. Seine Mutter ist 2015 gestorben, Vater Wilhelm (83) lebt im Pflegeheim. Der Erbvertrag besagt, dass die Kinder 50 Prozent der Hälfte des gemeinsamen Vermögens der Eltern erhalten. 

Doch da die Kinder mit den komplexen Erbfragen überfordert waren, setzten sie eine Berufsbeiständin der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) ein. Diese verwaltet das Familienvermögen seit rund einem Jahr. Vater Rechsteiner gerät nun aber wegen seines langen Aufenthalts im Heim in Geldnot.

Pro Monat kostet der Heimaufenthalt 12'000 Franken – Rechsteiner hat deswegen über 50'000 Franken Schulden angehäuft. Nun beginnt die Beiständin, den Besitz der Familie zu verkaufen, um die hohen Pflegekosten zu begleichen. Rechsteiners drei Kinder ärgern sich, wie die Beiständin das macht. Sohn Karl Rechsteiner: «Sie vertschuttet den Besitz zu viel zu niedrigen Preisen!»

40'000 Franken für 10'000 Quadratmeter

Zum Familienvermögen gehören ein Stück Land in Niederbüren SG und ein Mehrfamilienhaus in Heiden AR. Das rund 10'000 Quadratmeter grosse Landwirtschaftsland mitsamt Wirtschaftsgebäude hat die Beiständin bereits verkauft – dafür aber nur 40'000 Franken herausgeholt. «Wir wurden nicht über den Verkaufspreis informiert, und sie gab uns auch keinerlei Mitspracherecht», ärgert sich Sohn Karl Rechsteiner. Der Verkauf geschah hinter dem Rücken der Kinder. «Eine Frechheit.»

Merkwürdig: Die Beiständin hat die Kosten für Räumungsarbeiten, für den Holzschlag und die Handänderungskosten allesamt auf Vater Wilhelm überwälzt. «Wäre sie eine gute Geschäftsfrau, hätte sie solche Bedingungen niemals akzeptiert», sagt Karl Rechsteiner. Tatsächlich werden Handänderungskosten im Normalfall zwischen Käufer und Verkäufer geteilt. Von den 40'000 Franken bleibt darum kaum was übrig – Vaters Schulden schon.

«Dieser Preis ist grottenschlecht!»

Darum will die Beiständin jetzt auch noch das Dreifamilienhaus in Heiden AR veräussern. Eine Patriziervilla mit Umschwung und Blick auf den Bodensee. Alle drei Wohnungen im Haus sind seit Jahren vermietet. Aber auch hier offenbart sich die Beiständin als schlechte Geschäftsfrau. So liegt der Marktwert der Liegenschaft bei 1,2 Millionen Franken. Die Beiständin will die Villa bereits für 900'000 Franken veräussern, drängt auf einen schnellen Verkauf – da sonst die Schulden immer höher werden. 

«Dieser Preis ist grottenschlecht!», sagt Sohn Karl Rechsteiner. Er hatte im Februar 2018 einen Käufer gefunden, der mindestens eine Million Franken für die Villa hinblättern wollte. Doch Rechsteiner hoffte damals, eher an die 1,2 Millionen Franken heranzukommen und lehnte das Angebot ab. Und hat sich dabei verzockt.

Kesb soll künftig private Beistände prüfen

Rechsteiner sagt: «Der Beiständin ist egal, wie viel Geld es für das Haus oder das Land gibt – wir verlieren dadurch viel Vermögen.» Die Erben haben bei der Villa Mitspracherecht. Karl Rechsteiner will sich aber auch mehr Zeit nehmen für den Verkauf. «Wir können doch nicht einfach gezwungen werden, auf 100'000 Franken oder mehr zu verzichten, nur weil dem Vater das Geld ausgeht. Hier entscheidet eine Behörde über den Kopf der Kinder, wie mit dem Eigentum der Familie umgegangen werden soll», beklagt er sich. 

Hätte ein privater Beistand besser gewirtschaftet? Die Uni Freiburg hat alle Fälle im Jahr 2018 untersucht, die die unabhängige Anlaufstelle Kindes- und Erwachsenenschutz (Kescha) behandelt hat. Die Auswertung zeigt, dass im Erwachsenenschutz vor allem Probleme mit den eingesetzten Beiständen bestehen. In einer Mitteilung empfiehlt die Kescha deshalb, den «verstärkten Einsatz von privaten Beiständen». Ein zugehöriges Postulat verlangt dazu die Prüfung einer Gesetzesänderung, wonach die Kesb in jedem Fall die Möglichkeit der Einsetzung privater Beistände prüfen muss. 

Kesb mauert

BLICK hat die Kesb-Beiständin von Vater Wilhelm Rechsteiner mit den Vorwürfen des Sohnes konfrontiert. Sie wurde von Rechsteiners rechtzeitig von ihrer Schweigepflicht entbunden. Trotz mehrmaliger Kontaktversuche liess die Beiständin die Fragen von BLICK aber unbeantwortet.

Liebe Leserinnen und Leser, ist Ihnen mit der Kesb ähnliches passiert? Schreiben Sie in den Kommentaren oder melden Sie sich bei BLICK über E-Mail oder WhatsApp (Infos unten).

Immer einen Rechtsanwalt einschalten!

Erbrechtsexperte Rainer Künzle von der Uni Zürich sagt: «Der Beistand wäre gut beraten gewesen, wenn er mit den Kindern Kontakt aufgenommen hätte, bevor er das landwirtschaftliche Land verkaufte.» Doch offenbar sei die Erbengemeinschaft wegen Fehlern in der Vergangenheit in den Schlamassel geraten. «Der Erbvertrag wurde offenbar aufgesetzt, ohne den Grundbucheintrag zu prüfen», sagt Künzle. Sonst wäre wohl aufgefallen, dass im Grundbuch nur der Vater als Eigentümer der Liegenschaften eingetragen war – und Rechsteiners hätten dies noch rechtzeitig ändern können. Verständlich sei aber, dass Erbschaftsangelegenheiten häufig komplex sind. Künzle: «Es lohnt sich meiner Meinung nach darum in jedem Fall, bei der Ausarbeitung eines Testaments einen spezialisierten Rechtsanwalt beizuziehen.» Das verhindere, dass im Nachhinein Probleme entstünden. Familien sollen die Erbschaftsplanung zudem regelmässig überprüfen. «Es kommt häufig vor, dass sich die Vermögensverhältnisse ändern – dann muss das Testament angepasst werden.»

Erbrechtsexperte Rainer Künzle von der Uni Zürich sagt: «Der Beistand wäre gut beraten gewesen, wenn er mit den Kindern Kontakt aufgenommen hätte, bevor er das landwirtschaftliche Land verkaufte.» Doch offenbar sei die Erbengemeinschaft wegen Fehlern in der Vergangenheit in den Schlamassel geraten. «Der Erbvertrag wurde offenbar aufgesetzt, ohne den Grundbucheintrag zu prüfen», sagt Künzle. Sonst wäre wohl aufgefallen, dass im Grundbuch nur der Vater als Eigentümer der Liegenschaften eingetragen war – und Rechsteiners hätten dies noch rechtzeitig ändern können. Verständlich sei aber, dass Erbschaftsangelegenheiten häufig komplex sind. Künzle: «Es lohnt sich meiner Meinung nach darum in jedem Fall, bei der Ausarbeitung eines Testaments einen spezialisierten Rechtsanwalt beizuziehen.» Das verhindere, dass im Nachhinein Probleme entstünden. Familien sollen die Erbschaftsplanung zudem regelmässig überprüfen. «Es kommt häufig vor, dass sich die Vermögensverhältnisse ändern – dann muss das Testament angepasst werden.»

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