Er holte Opfer in die Schweiz
Iraker wegen Missbrauch des Neffen verurteilt

Ein gebürtiger Iraker hat die Notlage seines Neffen ausgenutzt und über längere Zeit sexuell missbraucht. Das Kreisgericht St.Gallen verurteilte ihn zu einer bedingten Freiheitsstrafe.
Publiziert: 12.05.2017 um 19:59 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 23:15 Uhr
Der Beschuldigte stritt die Tat nicht ab. (Symbolbild)
Foto: CHRISTOF SCHUERPF

Das Kreisgericht St. Gallen hat einen 51-jähriger Iraker zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, weil er seinen Neffen sexuell missbraucht hat. Der Iraker hatte dem damals 17-Jährigen die Flucht in die Schweiz ermöglicht und ihn bei sich aufgenommen.

Der Jugendliche sei in ein Land gekommen, dessen Sprache er nicht sprach und dessen Kultur er nicht kannte. «Er war in einer Zwangssituation, denn er war völlig von seinem Onkel abhängig«, sagte der Richter bei der Urteilseröffnung am Freitagabend. Der Beschuldigte habe die Notlage seines Neffen ausgenützt, indem er eine sexuelle Beziehung mit ihm einging.

Der Onkel muss seinem heute 25-jährigen Neffen eine Genugtuung von 18'000 Franken zahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Öffentlichkeit war von der Verhandlung vor dem Kreisgericht St. Gallen vom Freitag ausgeschlossen.

Iraker holte Familie in die Schweiz

Der Beschuldigte kam 1993 in die Schweiz. Er ist anerkannter Flüchtling und hat selbst Kinder, für die er nach der Scheidung das Sorgerecht bekam. Der ehemalige Taxifahrer holte zuerst seinen hörbehinderten Bruder aus dem Iran in die Schweiz, später finanzierte er auch die Flucht für dessen drei Söhne. Weil der Vater von Sozialhilfe lebte und kein gutes Verhältnis zu seinen Kindern hatte, nahm der Onkel die Flüchtlinge in seiner Wohnung auf.

Bereits vorher, als die Neffen noch bei ihrer Tante und Grossmutter im Iran lebten, hatte der Onkel seine Angehörigen unterstützt. Einmal im Jahr kam der Onkel zu Besuch und kümmerte sich liebevoll um seine Neffen. «Mein Onkel war für uns wie ein Vater», sagte das Opfer am Freitagmorgen vor Gericht.

Der Neffe war 17 Jahre alt und erst wenige Monate in der Schweiz, als der Onkel mit den sexuellen Übergriffen begann. «Ich wollte nicht mitmachen, doch der Onkel drohte mir, mich in den Iran zurückzuschicken oder mir mein Leben schwer zu machen«.

Opfer machte aus Angst mit

Danach habe der Onkel ihn drei bis viermal pro Woche sexuell missbraucht. Er habe aus Angst und Scham alles über sich ergehen lassen und sich niemandem anvertraut, sagte das Opfer: «Ich konnte mich nicht wehren, mit der Zeit war ich wie ein Sklave.» Die Übergriffe dauerten laut Anklage zweieinhalb Jahre lang, bis der Neffe den Kontakt zu seinem Onkel abbrach.

Vor einem Jahr habe er endlich den Mut aufgebracht, den Onkel anzuzeigen, sagte der 25-Jährige. Das Opfer sei in psychologischer Behandlung, sagte der Rechtsvertreter des Neffen. Wegen der schweren psychischen Verletzungen fordert der junge Mann von seinem Onkel eine Genugtuung von 24'000 Franken.

Die Staatsanwaltschaft verlangte wegen mehrfacher Ausnützung der Notlage eine teilbedingte Freiheitsstrafe von 28 Monaten. Sechs Monate sollten vollzogen werden. Das Opfer und seine Brüder hätten ihren Onkel vergöttert und seien vollkommen von ihm abhängig gewesen. Dies habe der Beschuldigte ausgenützt, um denjenigen Neffen zu missbrauchen, der sich nicht wehrte. Das Opfer habe keinen Grund, zu lügen, sagte der Staatsanwalt.

Aussage gegen Aussage

Der Beschuldigte stritt das sexuelle Verhältnis nicht ab. «Es war gegenseitig. Wir hatten eine Liebesbeziehung. Ich habe meinen Neffen zu nichts gezwungen», sagte der Beschuldigte. Mit den Anschuldigungen wolle sich sein Neffe nur an ihm rächen. Der Neffe sei eifersüchtig gewesen. Nach einem Streit wegen einer Pizzeria, die sie gemeinsam betrieben, sei er dann zur Polizei gegangen.

Der Verteidiger verlangte einen Freispruch. Es stehe Aussage gegen Aussage. Das Gericht müsse diese bewerten und dürfe den Beschuldigten nicht ohne genügende Beweise schuldig sprechen. Der junge Mann sei nicht das Opfer, als welches er sich darstelle.

Der Neffe sei nicht völlig abhängig gewesen, er hätte auch zu Verwandten in Zürich ziehen können. Zudem habe der Jugendliche bereits im Iran ein Verhältnis zu einem viel älteren Mann gehabt und dafür Geld kassiert. (SDA)

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