Ein Jungunternehmer wollte alles richtig machen – dann kams zur Drogenrazzia
Nun hüten Polizisten seinen Hanf

Die Medropharm GmbH will kranken Menschen helfen. Doch von der Polizei fühlen sie sich wie Kriminelle behandelt.
Publiziert: 09.10.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 02:31 Uhr
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«Wir sind keine Kriminellen. Wir wollen Kranken helfen» Mike Toniolo (34)
Foto: Sabine Wunderlin
Roland Gamp (Text) und Sabine Wunderlin (Fotos)

Unter dem Glasdach des Gewächshauses riecht es wie im Studentenwohnheim oder am Rockkonzert: Mehr als 3000 Hanfpflanzen stehen in voller Blüte. «Trotzdem gibt es für Kiffer hier nichts zu holen», sagt Mike Toniolo (34), CEO von Medropharm.

Das Unternehmen hat eine Hanfvariante mit geringem Gehalt des psychoaktiven Wirkstoffs THC entwickelt: «So tief, dass der Konsument keinerlei berauschende Wirkung spürt.» Der Stoff sei auch nicht zum High-Werden gedacht, sondern als Heilmittel: «Unsere Züchtung hat einen hohen Anteil CBD.» Dieses hilft Schmerzpatienten, bei Multipler Sklerose und vielen anderen Leiden.

«Hanf hat leider immer noch ein illegales Image»

Mittlerweile hat Medropharm vier Standorte und elf Mitarbeiter. «Wir sind eine seriöse Firma», sagt Toniolo. Trotzdem gebe es Vorurteile. «Hanf hat leider immer noch ein illegales Image.» Deshalb liessen die Jungunternehmer ihre Züchtung im Labor testen. Der THC-Gehalt lag deutlich unter einem Prozent. Somit handelt es sich um legalen Industriehanf.

Um ganz sicherzugehen, meldete Toniolo sein Produkt beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) an. Man sei nicht zuständig, hiess es dort. Medropharm informierte auch die lokalen Polizeiposten. Toniolo: «Wir luden die Mitarbeiter ein, bei uns vorbeizukommen.» Doch auch dort schien das Interesse gering, wie mehrere E-Mails belegen.

Die Polizei kam trotzdem. Ende August fand laut «St. Galler Tagblatt» eine Razzia statt.

«15 Beamte beschlagnahmten im Kanton St. Gallen rund 600 Pflanzen und Material wie Lampen», so Toniolo. «Der Gärtner wurde abgeführt.» Inzwischen ist der Mann wieder frei.

Für Diebe verlockend

Roman Dobler (34) von der St. Galler Staatsanwaltschaft bestätigt die Hausdurchsuchung. Es laufe eine Strafuntersuchung: «Wer Industriehanf anbaut, muss dies vorab beim Landwirtschaftsamt melden.» Dies habe Medropharm unterlassen. Zudem stünden die Pflanzen in einer Indoor-Anlage. «Es wurden diverse Vorkehrungen getroffen, damit die Anlage nicht entdeckt wird.» Deshalb gehe man davon aus, «dass es sich um Hanf mit einem THC-Gehalt von mehr als einem Prozent handelt».

Um das zu beweisen, lässt die Polizei die Hanfpflanzen nun selber wachsen. Erst wenn auch sie Blüten tragen, was ohne Gewächshaus länger dauert, lassen sich Proben nehmen.

Toniolo findet es nur logisch, die Pflanzen vor der Aussenwelt zu verstecken. «Sie riechen und sehen genau so aus wie Drogenhanf, das lockt Diebe an.»

Nach der Razzia in St. Gallen kehrte keine Ruhe ein. Vor drei Wochen durchsuchte die Polizei auch im Thurgau drei Gewächshäuser, Büros und Wohnungen. Stefan Haffter (49) von der Thurgauer Staatsanwaltschaft: «Wir erhielten eine Anzeige von einer offiziellen Behörde.»

«Der Anbau war nicht beim kantonalen Landwirtschaftsamt angemeldet worden», sagt Haffter. «Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde ein Verfahren eröffnet.» Er betont, dass keine Pflanzen vernichtet wurden.

«Völlig übertrieben»

Toniolo räumt ein, den Anbau nicht bei den kantonalen Landwirtschaftsämtern gemeldet zu haben. «Dass dies nötig ist, haben uns weder das BAG noch die von uns informierten Polizeiposten gesagt.» Die Reaktion auf diesen formalen Fehler sei «völlig übertrieben».

Auch der Thurgauer Kantonsrat Ueli Fisch (GLP, 53) findet das Vorgehen «nicht verhältnismässig». Er hat am Montag im Grossen Rat eine Anfrage platziert, in der es heisst: «Auf welche Gesetzesgrundlagen beruft sich die Staatsanwaltschaft bei dieser Aktion?»

Toniolo ist überzeugt: «Die Tests werden zeigen, dass unser Produkt legal ist.» Dann könne die Firma Schaden­ersatz fordern. «Noch wichtiger wäre mir, dass die Behörden einsehen: Wir sind keine Kriminellen. Wir wollen kranken Menschen helfen.»

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