Es ist der Silvesterabend, gegen 21 Uhr. Die Brüder Pasqual (13) und Steve B.* (17) sitzen daheim in Niederuzwil SG vor dem Fernseher. Allein. Ihr Stiefvater ist mit seiner Freundin auf einer Party.
Die beiden Jungs langweilen sich. Da kommt ihnen ein katastrophaler Gedanke: Sie wollen eine Spritztour machen.
Mit dem Autoschlüssel ihres Stiefvaters steigen sie in dessen silbergrauen Opel Tigra. Und rasen über die Dorfstrasse – mit 130 km/h!
In einer langgezogenen Linkskurve verlieren die Buben die Kontrolle über den Wagen. Sie fahren rechts über die Fahrbahn hinaus, preschen über die Leitplanke. Dabei hebt der Wagen ab, fliegt über die Uze und landet auf der anderen Flussseite auf dem Dach.
Pasqual erliegt noch an der Unfallstelle seinen schweren Verletzungen. Steve muss ins Spital gebracht werden. Der Autolackierer-Stift hat beide Handgelenke und die Ellbogen gebrochen, dazu kommen lebensgefährliche Kopfverletzungen. Der 17-Jährige liegt im Koma. Sein Zustand ist kritisch.
Wer von den beiden Brüdern das Auto gelenkt hatte, ist noch unklar. «Ich vermute aber, dass Pasqual gefahren ist», sagt sein Götti Peter Furrer (52).
Denn der Bub galt als schwierig. Vor zwei Jahren starb Pasquals Mutter Anita († 41) innert weniger Tage an Krebs. Damit konnte das «Nesthäkchen der Familie» und «absolute Mamakind» – so der Götti über Pasqual – nicht umgehen.
Pasqual wird auffällig und aufsässig. Er beklaut Familienmitglieder. Weil seine Schulleistungen schwächer werden, bekommt der Bub Ritalin.
Von seinem Stiefvater lässt er sich schon lange nichts mehr sagen. Im Februar 2009 schliesslich kommt Pasqual ins Kinderheim Lütisburg SG.
Jedes zweite Wochenende darf er zum Stiefvater und seinen Brüdern Steve und Marc (19) nach Hause. Doch die Besuche sind schwierig. Pasqual lässt keinen an sich heran.
Auch jetzt über die Weihnachtstage war der Bub zu Hause. Unverantwortlich findet das sein Götti. Die Behörden hätten besser nach dem Buben schauen sollen. «Man hat ja gesehen, dass der Stiefvater mit dem Sohn überfordert war, aber keiner hat geholfen», so Furrer.
Daniel Stadler (44), Pasquals Stiefvater, macht sich bittere Vorwürfe. Schon seit einiger Zeit hatte er Wertsachen und Geld in einem Tresor in der Wohnung aufbewahrt. Wegen Pasqual. «Aber an den Autoschlüssel habe ich nicht gedacht.»
*Name der Redaktion bekannt