Während in einigen Kantonen das Contact Tracing ausser Kontrolle geraten ist, hält man im Thurgau verbissen daran fest. Die Lage in seinem Kanton sei anspruchsvoll, aber man habe sie im Griff, betont Gesundheitsdirektor Urs Martin (41) an einer Medienkonferenz.
Im landesweiten Vergleich gilt der Thurgau als Musterschüler. Martin führt dies auf die gute Zusammenarbeit mit der Lungenliga Thurgau zurück, die das Callcenter für den Kanton betreibt. Es sei gelungen, die Kapazitäten schnell hochzufahren.
Martin sagt: «Es gibt Kantone, die zu wenig Ressourcen in das Contact Tracing investiert haben.» Noch am Mittwoch umfasste das Thurgauer Rückverfolgungsteam insgesamt 93 Personen. Schon innerhalb der nächsten 24 Stunden soll es auf über 100 Personen aufgestockt werden.
30 bis 40 Franken Lohn pro Stunde
Die meisten Contact Tracer arbeiten von einem Industriegebäude in Felben-Wellhausen TG aus. Eine von ihnen ist Conny Dolpp (41). Sie kehrte im Sommer aus Kuba in die Schweiz zurück, weil sie dort wegen Corona ihre Stelle im Tourismus verloren hatte. Jetzt hat sie seit Oktober wieder Arbeit – ausgerechnet dank Corona.
«Es hat sich hier sehr schnell verändert. Am Anfang konnten wir die Fälle noch von A bis Z betreuen, inzwischen mussten wir uns in Abteilungen aufteilen, um die Fälle speditiver betreuen zu können», erzählt Dolpp.
Der Stundenlohn im Callcenter beträgt zwischen 30 und 40 Franken. Gearbeitet wird in zwei Schichten. Die Kontaktpersonen einzelner Indexfälle zu ermitteln, gleicht manchmal einer Detektivarbeit. Es geht darum, Infektionsketten zu unterbrechen und mitzuhelfen, die Fallzahlen wieder zu reduzieren.
Contact Tracer arbeiten mit privaten Laptops und Handys
Am Wochenende, wenn die Gemeinden geschlossen haben, stellt dafür gar die kantonale Steuerverwaltung die Handynummern, die Betroffene in ihren Steuererklärungen angegeben haben, zur Verfügung. Das Vorgehen sei vom Datenschutzbeauftragten abgesegnet worden.
Speziell auch: Die Contact Tracer arbeiten mit ihren eigenen Handys und Computern. Der Kanton Thurgau stellt nur das Internet frei zur Verfügung. Das spart Kosten und hat den Vorteil, dass die Geräte nicht durch mehrere Hände wandern.
Die steigenden Zahlen würden auch sie deprimieren, gesteht Contact Tracerin Conny Dolpp. Und es gebe auch schwierige Momente: «Ich hatte den Sohn eines Herrn am Telefon, der ins Spital musste. Er hatte Angst um seinen Vater. Das nimmt einen schon mit!»
Hotline bewältigt 1700 Anrufe täglich
Pflichtbewusst ans Werk geht auch Teamleiter Berkant Demirkiran (23). «Ich versuche, cool zu bleiben und mich von den steigenden Fallzahlen nicht stressen zu lassen», sagt der angehende Wirtschaftsinformatiker. «Es geht darum, die Leute aufzuklären und sie durch die Quarantäne zu begleiten.»
Wegen des starken Anstiegs mussten auch die Thurgauer zuletzt Abstriche machen. Eine engmaschige Betreuung ist längst nicht mehr möglich – wegen rund 1700 Anrufen pro Tag. Zuletzt konnten aber immerhin die Wartezeiten reduziert wurden, die in manchen Fällen bis zu vier Tage betrugen.
Contact Tracing als Schlüssel zu Lockerungen
Rückkehrer aus Risikogebieten werden etwa gar nicht mehr kontaktiert, da diesen die Einreisebestimmungen in der Regel bewusst sind. Gleichzeitig appellieren die Verantwortlichen an die Bevölkerung, sich an die Quarantäneregeln zu halten und Kontaktpersonen zu melden. Nur so kann das Contact Tracing seine Wirkung entfalten.
Regierungsrat Urs Martin betont: «Es ist uns ein grosses Anliegen, dass wir die getroffenen Massnahmen bald lockern können. Dies ist nur mit einem funktionierenden Contact Tracing möglich.»