Bergopfer Monika Leuthold (55) überlebte knapp
«Ich war noch nie so glücklich wie in der Lawine»

Monika Leuthold (55) wurde von einer Lawine verschüttet. Sie hatte Panik und Todesangst. Und gleichzeitig mit dem Leben abgeschlossen. Darum weiss sie bis heute nicht, ob sie sich über ihre Rettung freuen soll.
Publiziert: 06.01.2010 um 13:35 Uhr
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Aktualisiert: 06.09.2018 um 22:14 Uhr
Von Beat Kraushaar

Monika Leuthold ist am Arbeiten, als sie vom Lawinen-Drama im Diemtigtal hört. «Als ich die Bilder sah, war ich gefühlsmässig bei den Verschütteten. Ich fragte mich: wo befinden sie sich gerade? Haben sie noch Hoffnung, stehen sie schon im Todeskampf oder haben sie schon mit dem Leben abgeschlossen?»

Gleichzeitig läuft in Monika Leuthold ein Film ab: Sie selbst wurde am 19. März 2006 auf einer Skitour am Oberalp-Pass von einer Lawine erfasst.

Sie ist mit Ehemann, Tochter und Kollegen auf der Abfahrt nach Tschamut , als sie die Lawine kommen sieht und von ihr erfasst wird. «Es war ein Gefühl, als wenn ich von einer Lok überfahren werde. Ich dachte ich werde auseinander gerissen. Ich verlor meine Luft, meine Kraft und es war mir klar, dass ich sterbe.»

Da sie kein Lawinensuchgerät trägt, denkt sie keine Sekunde an eine Rettung. «Ich stellte mich innerlich sofort auf den Tod ein – auf einen schrecklichen Erstickungstod», sagt sie rückblickend.

Nach der Panik der Abschied

Monika Leuthold schildert, welche Phasen sie in ihrem Todeskampf durchlitt: «Am Anfang hatte ich unglaubliche Panik, riesige Todesangst. Das Wissen, dass keine Flucht mehr möglich ist und einem die Luft zum Körper herausgepresst wird», sagt die Pflegefachfrau.

Dann kam die Phase der Nahtoderfahrung. «Ich begegnete allen Menschen die ich kannte, nahm von allen Abschied, ich erfuhr was mein Lebenssinn ist und dann kam der Frieden – ein unendlicher Friede.»

Für Leuthold war dies das Schlüsselerlebnis: «Ich habe unter den Schneemassen mit dem Leben abgeschlossen. Keine Fragen waren mehr offen. Ich war bereit zu gehen.»

War die Rettung eine Rettung?

Doch ihre Zeit war noch nicht abgelaufen. Nach 30 Minuten kam die Rettung. Diese hat Leuthold als zwei verschiedene Geschichten erlebt. Diejenige der Retter und ihre eigene. Leuthold: «Retter wollen einem um jeden Preis herausholen. Sie sind glücklich wenn sie das schaffen und man noch lebt. Ich war aber nicht so glücklich.»

«Für mich habe ich unter den Schneemassen die vollkommene Zufriedenheit gefunden. Ich war noch nirgends glücklicher in meinem Leben als in der Lawine. Dieses Gefühl war so stark, so überwältigend, dass ich mir bis heute nicht sicher bin ob die Rettung eine Errettung war.»

Dann kam für Leuthold der lange Weg zurück. Sie war schwer verletzt. «Ich hatte vier Rippen gebrochen, eine davon durchstach meine Lunge. Auch an Bein und Arm erlitt ich Knochenbrüche, hatte Lähmungserscheinungen und eine Gehirnerschütterung.»

Trost für Angehörige des Diemtigtal-Dramas

Zu allem kamen noch die seelischen Schmerzen: «Mir kam es vor, als wenn meine Seele in den Schneemassen des Oberalp-Passes liegt und mein schmerzender Körper im Spital Luzern», sagt die 55-Jährige.

Drei Jahre sind seit dem Unglück vergangen und niemand weiss besser als sie, wie sich die Angehörigen der Toten vom Diemtigtal zur Zeit fühlen. Darum will sie ihre Erfahrung, dass unter der Lawine der Moment der absoluten Zufriedenheit kommt, als Trost den Angehörigen mitgeben. «Auch wenn diese den Sinn im Moment nicht sehen können. Aber ich kann ihnen sagen, dass sie sich ihre Liebsten am Schluss in einem glücklichen und paradiesischen Zustand befanden.»

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