«Ich weiss nicht, ob ich noch hier wohnen will»
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Rentner fühlt sich schikaniert:«Ich weiss nicht, ob ich noch hier wohnen will»

Sein reicher Nachbar lebt in Amerika – trotzdem macht er Markus Heller (96) das Leben in Teufen AR schwer
«Er schikaniert mich aus Wut und Intoleranz»

In Teufen AR tobt aktuell ein irrer Nachbarschaftsstreit. Weil der Nachbar nicht wie gewollt bauen konnte, liess er die Privatstrasse auf seinem Grundstück aufreissen und stellte eine Blockade auf. Sein Gegner, Markus Heller (96), kommt jetzt nicht mehr durch.
Publiziert: 28.11.2024 um 00:08 Uhr
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Aktualisiert: 28.11.2024 um 20:14 Uhr
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Insgesamt 17 Löcher wurden von einer Baufirma aus dem Rheintal in die Strasse gespitzt.
Foto: Sandro Zulian

Auf einen Blick

  • Nachbarschaftsstreit in Teufen eskaliert: Zufahrtsstrasse absichtlich beschädigt und blockiert
  • 96-jähriger Rentner kann nicht mehr mit Auto nach Hause fahren
  • Anwaltskosten belaufen sich auf beiden Seiten auf mindestens 100'000 Franken
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sandro ZulianReporter News

Der Villenhügel in Teufen AR ist weitherum bekannt. Nicht nur wegen seiner illustren Anwohner – unter anderem befindet sich hier die berühmte Villa des gefallenen Top-Bankers Pierin Vincenz – sondern auch wegen eines Bau-Zoffs, der irre Ausmasse angenommen hat. 

Villenbesitzer Markus Heller (96), ein weit gereister Geschäftsmann, hatte ein bewegtes Leben. Unter anderem war er 1953 Teil des ersten Nordkorea-Kontingents der Schweizer Armee und überwachte den jungen Frieden nach dem Korea-Krieg. Auf seine alten Tage schlägt er jetzt aber eine ganz andere Schlacht: gegen seinen Nachbarn Simon M.*!

«Er schikaniert mich aus Wut und Intoleranz»

M. ist Besitzer des Nachbargrundstücks und ebenfalls ein Unternehmer. Er wohnt schon seit Jahren in Kalifornien, sein Haus in Teufen ist verlassen. Jetzt liess M. die kleine Zufahrtsstrasse auf seinem Grundstück, die bei Nachbar Hellers Haus endet, auf einer Länge von ungefähr 40 Metern verschandeln. Und das mit voller Absicht!

17 Löcher, teils über 10 Zentimeter tief, klaffen im Asphalt. Am Ende und kurz bevor Markus Hellers Grundstück beginnt, stehen zwei einbetonierte Ölfässer, verankert mit Stahlträgern. Für das Aufspitzen der Strasse und das Montieren der Fässer wurde extra eine Baufirma aus dem Rheintal beauftragt. Sie zerstörte die Strasse – im Auftrag. 

Die Fässer stehen im Abstand von zwei Metern auf beiden Seiten des Strässchens und verhindern, dass man mit grösseren Fahrzeugen auf das Grundstück des 96-Jährigen kommt. «Er schikaniert mich aus Wut und Intoleranz», sagt Markus Heller. 

Riesen-Umbau stand am Anfang des Riesen-Zoffs

Der absurde Konflikt nahm seinen Anfang im Jahr 2017. Damals planten Simon M. und seine Frau, ihr Haus abzureissen beziehungsweise grossflächig umzubauen. Sie hatten vor, im unteren Bereich ihres Grundstücks eine Parkgarage einbauen zu lassen. Das passte Markus Heller und seinem Sohn, der ebenfalls in der Nähe wohnt, gar nicht.

Das Privatsträsschen, das zu kleinen Teilen allen Anwohnern gehört, ist eng, es fehlt Platz zum Kreuzen und auch die maximale Gewichtsbelastung sorgt für Fragezeichen. Das Ehepaar M. hatte vor, am unteren Ende ihres Grundstücks eine grosse Parkgarage in den Hügel zu bauen. Der Baustellenverkehr hätte eine grosse Belastung für das Quartier und für das kleine Strässchen bedeutet. Heller und sein Sohn reichten Einsprache ein.

Im unteren Bereich von Simon M.*s Grundstück hätte die Tiefgarage gebaut werden sollen. Jetzt kam es dafür im oberen Bereich seines Grundstücks zu einem «Rückbau». 17 Löcher klaffen im Asphalt, abgerundet mit zwei grossen Fässern, die den Zugang zu Markus Hellers Boden erschweren.
Foto: Blick Grafik

Der Baustreit der Nachbarn durchlief sämtliche Instanzen. Das Obergericht von Appenzell Ausserrhoden urteilt im April 2021 – und gibt Heller Recht! Die Baueingabe «Einfamilienhaus mit Tiefgarage» darf also nicht realisiert werden.

Ein Grund: Die Zufahrtsstrasse von der Hauptstrasse bis zur engen Kurve ist nicht für Lastwagen ausgelegt. Es fehlt die genügende Breite für Lastfahrzeuge. Das Strässchen ist laut einem Dienstbarkeitsvertrag von 1935 «auf eine Breite von 2,2 Meter beschränkt» und demzufolge nicht für «Lastautomobile» geeignet. Weiter oben, auf der Zufahrtsstrasse zu Markus Hellers Haus, beträgt die Breite gemäss Vertrag sogar nur 2 Meter*. Und genau hier sah der Nachbar offenbar eine Möglichkeit, sich bei Markus Heller für die Einsprache zu revanchieren.

2 Meter für alle – ohne Ausnahmen

Denn diese Breite-Vorgabe aus der Vorkriegszeit wird jetzt vom Anwalt des unterlegenen Nachbarn pingelig genau durchgesetzt. In einem Brief an den Anwalt der Hellers, schreibt der Anwalt von Simon M., dass es Markus Heller ab sofort untersagt sei, diese Zufahrt mit Fahrzeugen zu befahren, die breiter sind als vom Obergericht im Urteil festgehalten. 

Maximal 2 Meter und keinen Zentimeter mehr muss also auch für Markus Heller gelten. So beginnt der Nachbar, Zufahrtsbeschränkungen auf seinen paar Metern des Strässchens aufzustellen. Anfangs waren die Tonnen im Abstand von 2,05 Meter nur hingestellt, jetzt sind sie einbetoniert. 17 Löcher prangen zudem im Teer. 

Simon M. wollte auf Blick-Anfrage nichts zum Streit sagen. Und Reto Altherr, Gemeindepräsident von Teufen, antwortet nur knapp auf die Blick-Anfrage: «Die Thematik ist bekannt und ich kann Ihnen versichern, dass die Gemeinde Teufen bereits tätig ist.» 

Beide Seiten deckten sich mit Anzeigen ein

Auch Strafanzeigen haben die Nachbarn schon ausgetauscht. Simon M. zeigte Markus Heller wegen Sachbeschädigung an, weil er die Pfosten und Fässer entfernte, Markus Heller hingegen zeigte Simon M. an wiederum wegen der betonierten Fässer an. Diese Einengung der Strasse sei Nötigung.

Leidtragender ist in diesem Fall ein 96-jähriger Rentner, der kaum mehr mit dem Auto nach Hause kann. Lieferanten, Schneepflug, sogar Feuerwehr und Ambulanz haben gar keine Chance mehr.

Markus Heller sagt: «Die Gemeinde will sich nicht vor mich stellen oder schauen, dass so etwas nicht passiert.» Trostlos fügt er an: «Mit 96 Jahren ist man näher am Abschied als an der Versöhnung. Ich habe nicht das Gefühl, dass es hier noch eine Versöhnung geben wird.» 

*In einer früheren Version dieses Artikels stand, der Abstand zwischen den Fässern betrage 2,2 Meter. Die richtige Breite beträgt 2 Meter.

*Name geändert

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