Andri Bösch (20) will in die Stadtregierung
Dieser Juso mischt den St. Galler Wahlkampf auf

Als Aussenseiter gestartet, lässt Andri Bösch die etablierten Kräfte immer mehr zittern. Der Jungsozialist bringt eine Portion Unberechenbarkeit in den Wahlkampf.
Publiziert: 15.09.2017 um 11:51 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 17:54 Uhr
Julien Duc
Jungsozialist Andri Bösch ist 20 Jahre alt und will in den Stadtrat von St. Gallen.
Foto: Zvg

Andri Bösch ist gerade mal 20 Jahre alt, mischt aber bereits mächtig die politische Szene der Stadt St. Gallen auf. Seit anderthalb Jahren ist er Mitglied bei den Jungsozialisten (Juso). Seit Juni dieses Jahres präsidiert er die Partei. Keinen Monat nach Amtsantritt verkündet er seine Kandidatur für den frei werdenden Stadtratssitz.

Am 24. September wählt St. Gallen ein neues Mitglied in den Stadtrat. Bösch ist im Rennen um den frei werdenden Sitz als Aussenseiter gestartet, hat durch seine Auftritte und originellen Ideen aber viel Sympathien gewonnen. Um den frei werdenden CVP-Sitz von Nino Cozzio, der krankheitsbedingt zur Demission gezwungen war, buhlen CVP, SVP, GLP, die Grünen und eben die Juso. CVP-Mann Boris Tschirky gilt auf dem Papier als Favorit. 

SP unterstützt GLP-Kandidatur

Links von der Mitte wird alles daran gesetzt, Tschirky von der CVP zu verhindern. Das stellte die städtische SP vor ein Problem. Sollen die Genossen den Newcomer und Juso-Präsidenten Bösch unterstützen? Oder doch eher die etablierte GLP-Frau Sonja Lüthi, der gute Chancen eingeräumt werden? Die Delegierten entschlossen sich knapp mit 29:24 Stimmen für die GLP-Kandidatin. Das Hauptargument: Bösch sei zu jung.

Peter Olibet, Präsident der SP in der Stadt St. Gallen, findet trotzdem lobende Worte für Bösch. Der Jungsozialist habe es geschafft, sehr pointiert linke Positionen in den Wahlkampf einzubringen, wie Olibet  dem BLICK sagt. Er ist sich sicher, dass Bösch ein gutes Resultat machen werde.

Inhalte und nicht das Alter zählen

Bösch findet den basisdemokratischen Entscheid der Mutterpartei schade, kann ihn aber einigermassen nachvollziehen. «Die SP denkt strategisch und realpolitisch. Die Juso hingegen geniessen die Freiheit, Grundsatzdebatten führen zu können», sagt Bösch zu BLICK. Das Argument, junge Menschen seien einem solchen Amt nicht gewachsen, widerspricht er: «Inhalte sind doch entscheidend.»

Immer müsse er sich rechtfertigen und erklären, wieso er als 20-Jähriger kandidiert. «Woher wollen wir wissen, dass ein 20-Jähriger zu jung für so ein Amt ist? Es gab noch nie einen Stadtrat in diesem Alter.» Er sei zu hundert Prozent überzeugt, das Amt erfolgreich bekleiden zu können. Dass er sich stets wegen seines Alters rechtfertigen müsse, sei ungerecht. Es werde nicht gänzlich mit der gleichen Elle gemessen. «Boris Tschirky von der CVP wohnt nicht einmal in der Stadt, und er will Stadtrat werden. Wieso muss er sich nicht erklären?»

Migration und Bildung

Böschs Interesse an der Politik wuchs stetig. Die Flüchtlingskrise sei sicherlich mit ein Grund gewesen, politisch aktiv zu werden. «Wie kann es sein, dass die Welt zulässt, dass Flüchtlinge teure Schlepper bezahlen müssen und dann oftmals bei der Überfahrt ihr Leben lassen?» Sein zweites wichtiges politisches Thema ist die Bildung. Heftige Kritik übt Bösch am Notensystem. Es sei bewiesen, dass Bewerten durch Noten den Lernprozess nicht fördere. Kinder würden nur lernen, um gute Noten zu erreichen oder eine schlechte zu verhindern, und nicht wegen der Sache selbst. Das Verb «bewerten» habe nichts verloren in der Bildung. Noten verteilen bedeute eigentlich nichts anderes, als dem Kind zu misstrauen, dass es nicht auf Eigeninitiative hin mögliche Interessen verfolgt. «Ein Kind braucht eine sichere Umgebung, um sich zu entfalten. Noten machen Angst.»

Zuerst Zivildienst, dann ein Studium

Bösch weiss um seine geringen Wahlchancen. «Ich freue mich momentan einfach über die Reaktionen, die mir von verschiedensten Seiten entgegenkommen.» Seine Kandidatur habe viele Gleichaltrige erreicht. «An den Diskussionsrunden waren so viele junge Leute, die sich zuvor nicht für Politik interessiert haben.»

Und wie geht es für Bösch weiter, sollte er nicht in den Stadtrat gewählt werden? «Das politische Engagement als Juso-Präsident ginge weiter – und das laut und unangenehm!», witzelt Bösch. Eine weiteres Ziel ist der Abschluss der Matura auf dem zweiten Bildungsweg, für welche Bösch zwei Mal die Woche zur Schule geht. Danach will er seinen Zivildienst leisten und vermutlich ein Studium beginnen. Aber welches? «Das weiss ich noch nicht so genau», gibt Bösch zu. «Aber bestimmt etwas mit Menschen.»

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