Foto: Claudio Meier

Alpenhütten müssen umdenken
Kritik an Heli-Flügen für Mineralwasser

Alpenhütten kämpfen mit Wassermangel. Gleichzeitig werden diese per Heli versorgt. Die Zwinglipasshütte im Toggenburg hat auf beide Probleme eine einfache Antwort.
Publiziert: 02.07.2019 um 15:24 Uhr
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Bei der Bergstation wird die Transportbahn entladen. Von hier tragen Helfer die Waren in die Hütte. Dafür brauchen sie rund eine halbe Stunde.
Foto: Claudio Meier
Cyrill Pinto

Merkwürdiges tut sich an diesem frühen Samstagmorgen in Wildhaus SG: Noch vor den ersten Sonnenstrahlen versammeln sich rund 130 Helferinnen und Helfer, dann steigen sie in Lieferwagen voller Teigwaren, Käse, Kaffeepulver. Nach und nach setzt sich der Treck der Transporter Richtung Teselalp in Bewegung. Dort werden die Waren in eine kleine Transportseilbahn gepackt. Sobald die Helfer aufgestiegen sind, nehmen sie die Waren an der Bergstation wieder in Empfang – von hier aus müssen sie tragen. Ihr Ziel: die Zwinglipasshütte auf über 2000 Meter über Meer.

Willkommen bei der «Hötteträgete» des Schweizer Alpen-Clubs Toggenburg! Organisiert hat sie Hans Egli (68), Hüttenverantwortlicher der lokalen SAC-Sektion: «Wir wollen die Hütte so ökologisch betreiben wie möglich.» Also dürfen auch die Lebensmittel nicht per Helikopter kommen. «Wir verzichten auch bewusst auf frisches Fleisch oder anderen Luxus.»

Oft kommt das Mineralwasser mit dem Heli

Nicht einmal Mineralwasser wird hinaufgeflogen – obwohl es rund um die Zwinglipasshütte keinen Tropfen Wasser gibt. Sie wird durch gesammeltes Regenwasser versorgt, das auch als Trinkwasser dient. Es wird aufwendig gefiltert und mittels einer UV-Anlage keimfrei gemacht. «Wir haben rund 6000 Franken in die Anlage investiert», erklärt Egli.

Die «Hötteträgete» ist eine Ausnahme. Die meisten Hütten des Schweizer Alpen-Clubs lassen ihre Lebensmittel mittels Hubschrauber liefern. Die grosse Mehrheit von rund 150 Hütten des SAC servieren eingeflogenes Mineralwasser aus der Flasche, wie Ulrich Delang sagt, Leiter Hütten und Infrastruktur beim SAC. An vielen Orten wäre durchaus Wasser vorhanden, darf aber nicht direkt abgegeben werden, erklärt Delang: «Die Trinkwasserfreigabe unterliegt strengen kantonalen Kontrollen. Ohne Freigabe dürfen wir das Quellwasser nicht als Trinkwasser deklarieren.»

Unerschlossene Wasserreservoirs?

Beim SAC ist man sich bewusst, dass der Mineralwassertransport per Heli auf Kritik stösst. Delang bestätigt , dass viele Mitglieder ihr Missfallen kundtun.
Der Schweizer Alpen-Club unterstützt die Gletscherinitiative, eine Volksinitiative, die sich für die drastische Reduktion des CO2-Ausstosses starkmacht. Allein deshalb muss der SAC auch selbst über die Bücher und sich Gedanken über die künftige Belieferung seiner Hütten machen. «Denkbar sind zum Beispiel Filtersysteme, die das Wasser vor Ort in Trinkwasser umwandeln.» So wie dies auf der Zwinglipasshütte bereits getan wird.

Allerdings gibt es vielerorts zu wenig natürlich vorhandenes Wasser. Manchen Hütten geht im Sommer das Wasser aus, weil kleine Gletscher bereits verschwunden sind. Für diese SAC-Hütten bedeutet das laut Delang eine riesige Herausforderung. Darum ist man auf der Suche nach Alternativen: «Vielleicht werden in Zukunft auch bisher unerschlossene Wasserreservoirs helfen, wie zum Beispiel Blockgletscher.» Das darin gespeicherte Wasser könnte angezapft werden, um die Versorgung der Hütten ­sicherzustellen.

Berghütten besonders vom Klimawandel betroffen

Andere mögliche Quellen sind Geländekammern, in denen sich Regenwasser unterirdisch sammelt. Therese Lehmann (48) von der Uni Bern sieht die Berghütten ganz besonders vom Klimawandel betroffen. «Die Landschaft verändert sich, wird ohne Gletscher unattraktiver», erklärt die Tourismusexpertin. Zudem würden die Zustiege zu den Hütten schwieriger und Touren anspruchsvoller.

Lehmann begrüsst deshalb Massnahmen zur CO2-Reduktion – wie etwa die «Hötteträgete» im Toggenburg.

Gegen Mittag sind Lebensmittel und Brennholz für die kommende Saison feinsäuberlich im Keller der Zwinglipasshütte gestapelt. Hüttenwartin Elisabeth Calzaferri (58) hat eine Gerstensuppe zubereitet, dazu gibts Bratwürste. «Mindestens so wichtig wie das Hinauftragen ist der gemütliche Teil danach», lacht Hans Egli.

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