Bekanntmachung
Substantiv, feminin
Überall in der Schweiz hingen während des Zweiten Weltkriegs Plakate, darauf die Silhouette eines Mannes mit Hut, der seinen Finger auf die Lippen presst. «Wer nicht schweigen kann, schadet der Heimat!» Peter Bichsel (84) schrieb, wie ihn die Eindringlichkeit des Plakats als 10-jährigen Buben beeindruckt hatte. 75 Jahre nach Kriegsende beherrscht wieder ein Plakat des Bundes die Öffentlichkeit. «So schützen wir uns» prangt in schwarzen Lettern auf einem gelben Balken. Darunter Piktogramme, die dem Bürger zeigen, was er zu tun hat. Unklar, ob es auf einen Zehnjährigen dieselbe Wirkung hat wie das zu patriotischer Verschwiegenheit auffordernde Weltkriegsplakat. Gegen die Nazis haben Händewaschen und Abstandhalten nicht ausgereicht. Klar ist: Wenn der Bund sich direkt an die Bürger wendet, dann gilt es ernst.
Berührung
Substantiv, feminin
«Noli me tangere» – lateinisch für «Rühr mich nicht an» –, sagt gemäss der Bibel Jesus zu Maria Magdalena, als sie ihn umarmen und küssen will. Gut, Gottes Sohn ist da schon tot und möchte zum Vater in den Himmel auffahren. Wer aber lebt, der erkrankt ohne Berührung – Kinder bekommen Entwicklungsstörungen, Erwachsene neigen zu Depressionen, und Pflegebedürftige verkümmern. Zudem stärkt das Hormon Oxytocin, welches das Gehirn beim Kuscheln ausschüttet, das Immunsystem – etwas, das wir gerade in Zeiten von Virenangriffen unbedingt brauchen. Gewiss, nach #MeToo und jetzt nach Corona ist die Berührung in Verruf geraten. Aber der Tastsinn auf unserem grössten Organ, der gut zwei Quadratmeter grossen und zwölf Kilogramm schweren Haut, ist dazu da, uns mit anderen Menschen zu verbinden.
Desinfektion
Substantiv, feminin
Dass Mikroorganismen Infektionskrankheiten auslösen, beweist erst 1876 der deutsche Arzt Robert Koch (1843–1910). Am Milzbranderreger weist er den Zusammenhang zwischen einer Krankheit und einem bakteriellen Erreger nach. Ab etwa 1900 setzen Ärzte und Spitäler dann breitflächig Desinfektionsmittel wie Chlorkalklösungen oder Karbol ein. Heute sind Desinfektionsmittel überall ausverkauft, hochprozentiger Alkohol auch. Die Migros fährt die hauseigene Produktion hoch. Zunächst schützt der Grossverteiler damit aber die eigenen Mitarbeiter. Bis die Mittel wieder in den Regalen stehen, dauert es noch ein, zwei Wochen. Die gute Nachricht: Händewaschen mit Seife reicht eigentlich.
Experte
Substantiv, maskulin
Eigentlich galt bisher als Experte, wer über überdurchschnittlich umfangreiches Wissen auf einem Fachgebiet oder über spezielle Fähigkeiten verfügt. In Zeiten des Coronavirus ist jeder Laie ein potenzieller Experte. In einem Interview mit «20 Minuten» forderte der Ökonom Reiner Eichenberger (58), «dass die unter 65-Jährigen sich möglichst schnell infizieren, 14 Tage zu Hause bleiben und dann wieder arbeiten, festen und reisen». Das Bundesamt für Gesundheit reagierte sofort in anderen Medien: Auch junge gesunde Leute könnten an einer Beatmungsmaschine landen und schlimmstenfalls sterben. Manche Laien werden auch unfreiwillig zu Experten. Der deutsche Fussballtrainer Jürgen Klopp muss derzeit an fast jeder Pressekonferenz Fragen zum Coronavirus beantworten. Zuletzt platzte ihm am Dienstag deswegen vor laufender Kamera der Kragen.
Grenze
Substantiv, feminin
Wir leben in einer grenzenlosen Welt: Unsere Avocados kommen aus Israel, unsere Elektronik aus China und unsere Baumwolle aus Indien. Seit einigen Tagen hallt eine alte Losung durch Global-Switzerland: «Macht die Grenzen dicht!» Am Freitag zog der Bundesrat die Zugbrücke hoch. Und auch im Inland werden überall neuartige Grenzen gezogen: Trennscheiben an Schaltern, neue Sitzabstände in Kantinen, geschlossene Türen in Bussen.
Hamsterkauf
Substantiv, maskulin
In sozialen Medien wie Facebook wird geächtet, wer voller Angst seinen Einkaufswagen mit Mehl, Öl und Nudeln füllt. Dabei ist es normal, in Zeiten der Unsicherheit für sich und die Familie vorzusorgen. Angst vor Hunger müssen wir aber keine haben: Die Migros fährt die Produktion von haltbaren Waren gezielt hoch. «Wir haben ein Basissortiment definiert, das wir sowohl in den Eigenbetrieben unserer Industrieunternehmen als auch in der Logistik priorisieren. Damit wollen wir eine Grundversorgung sicherstellen. Es handelt sich dabei um Güter des täglichen Bedarfs, die in etwa jenen des vom Bund definierten Notvorrats entsprechen», sagt ein Migros-Mediensprecher. Auch Coop sagt, man habe seit Jahren einen Pandemieplan und würde gerade entsprechend handeln.
Homeoffice
Substantiv, Neutrum
Aufstehen – und schon ist man im Büro. Das ist – kurz gesagt – Heimarbeit, wie sie zurzeit viele Firmen ihren Mitarbeitenden verordnen. Das hat Vor- und Nachteile: Positiv sieht die Schweizer Smart-Work-Initiative die erhöhte Produktivität und die Reduktion der ökonomischen und ökologischen Kosten; negativ die ungenügende Abgrenzung von Berufs- und Privatsphäre sowie die abnehmende soziale Einbindung. Durch die Digitalisierung hat sich die Heimarbeit in den letzten 20 Jahren zu Teleheimarbeit entwickelt. Stellte man im 19. Jahrhundert zu Hause noch Güter her wie etwa Strohhüte im Freiamt, so verrichtet man jetzt Büroarbeit im Internet. Gemäss Bundesamt für Statistik hat sich die Zahl der Arbeitnehmenden, die zumindest gelegentlich im Home-office arbeiten, von 2001 bis 2018 vervierfacht, von 250'000 auf gegen eine Million. Die aktuelle Krise könnte diese Zahl massiv in die Höhe treiben.
Wegen Ansteckungsgefahr durch das Coronavirus ermöglichten viele Firmen ihren Angestellten, von zu Hause aus zu arbeiten. Im Homeoffice kann man durchaus produktiv sein, wenn man es richtig macht.
Wegen Ansteckungsgefahr durch das Coronavirus ermöglichten viele Firmen ihren Angestellten, von zu Hause aus zu arbeiten. Im Homeoffice kann man durchaus produktiv sein, wenn man es richtig macht.
Human-Resources-Abteilung
Substantiv, feminin
Über die Personalabteilung machen wir – Verzeihung, ihr netten Menschen von der unsrigen – in der Regel ironische Witze. Etwa, dass man sich bei blöden Sprüchen der Mitarbeiter gemobbt fühle und sofort einen Termin beim HR wolle. Oder dass man jetzt dann wohl gleich seinen Brief abholen könne, weil man seinen Artikel leicht verspätet abliefert. Ansonsten hat man ausser beim Einstellungs- und im schlechten Fall beim Kündigungsgespräch nicht viel mit den grauen Eminenzen zu tun. Seit der Corona-Krise müssen wir aber zumindest redaktionsintern sagen: «Momoll.» Unsere und andere Human-Resources-Spezialisten haben schnell reagiert: Wir schreiben aus der Isolation von zu Hause aus. Danke, Personalabteilung! Wir machen ab jetzt keine Witze mehr.
Husten
Substantiv, maskulin
Husten früher: Die Menschen fragen «Alles okay?». Hustende Personen erhielten Hilfe und Mitleid – im schlimmsten Fall wurden sie ignoriert. Husten heute: Die Menschen nehmen Abstand. Husten ist ein Zeichen von Gefahr. In Zeiten des Coronavirus: Lieber nicht im ÖV husten. Viele Menschen unterdrücken nun den Reiz. Dabei ist das Husten etwas ganz Natürliches, was unser Körper zum Schutz macht: Es soll die Atemwege von Substanzen reinigen, die diese verengen. Ergo: Husten ist okay. Aber in den Ellenbogen.
Isolation
Substantiv, feminin
Bis vor kurzem galten Isolationsmassnahmen für Covid-19-Kranke in Spitälern. Mittlerweile rät das Bundesamt für Gesundheit zur Selbstisolation zu Hause. Wer sich krank fühlt und keiner Risikogruppe angehört, soll das Zimmer nicht mehr verlassen und den Kontakt zu anderen einschränken. Aber auch viele Gesunde sind an ihr Zuhause gefesselt – sei es wegen Homeoffice oder weil Freizeitveranstaltungen abgesagt werden. Ob uns dies auf Dauer guttun wird, ist fraglich. Mehrere Studien haben gezeigt, dass Einsamkeit die Wahrscheinlichkeit für Krankheiten wie Depressionen, Angsterkrankungen, Herzinfarkt, Schlaganfall, Krebs und Demenz erhöht. Und eine umfangreiche Studie kommt zum Schluss, dass sozial gut integrierte Menschen ein um 50 Prozent niedrigeres Sterberisiko haben als vereinsamte Menschen.
Mobbing
Substantiv, Neutrum
Anfang Januar berichteten die ersten Asiaten von Passagieren in Zürich, die ihretwegen im Bus sofort den Platz wechselten. Oder von Passanten in Luzern, die ihren Schal vors Gesicht zogen. So erging es vielen von ihnen auf der ganzen Welt. Unter dem Hashtag #JeNeSuisPasUnVirus schlugen sie in den sozialen Medien zurück. Dann kamen die Corona-Erkrankten dran. Eine Frau in Österreich berichtete, dass sie von Nachbarn wie eine Aussätzige behandelt werde. Und mittlerweile mobbt jeder jeden. Wer auf der Strasse niest oder sich im Café räuspert, erntet verächtliche Blicke. Bereits formiert sich eine Gegenbewegung: Auf Facebook kursiert ein Video, in dem eine Frau im Bus absichtlich einen Mann anhustet, nachdem dieser ihr gesagt hat, sie solle sich doch bitte die Hand vor den Mund halten.
Notvorrat
Substantiv, maskulin
Jetzt erinnert man sich wieder an den Notvorrat. Seit langem predigt der Bund, dass jeder Esswaren und Wasser für sieben Tage zu Hause haben sollte. Doch etwa ein Drittel der Schweizer Haushalte erfüllt dies nicht, wie eine Studie der bundesnahen Forschungsanstalt Agroscope 2018 festgestellt hat. Dabei sollten wir eigentlich ein inniges Verhältnis zu den Reserven haben. Vom Ersten Weltkrieg überrascht, litt die Bevölkerung unter einer schlechten Versorgung. 1929 verpflichtete der Bund deshalb die Wirtschaft, private Getreidepflichtlager zu halten. Und während des Kalten Krieges sollte die Bevölkerung selbst auch einen Vorrat anlegen. Der Bund warb mit dem Slogan «Kluger Rat – Notvorrat» dafür. Heute verfügt die Schweiz über ein Pflichtlager mit Arzneien sowie 77’000 Tonnen Lebensmitteln – darunter Zucker, Reis zu Speisezwecken, Speiseöl, Kaffee und Getreide.
reiben
starkes Verb
Wenn sich Menschen die Hände reiben, hat das normalerweise nichts Gutes zu bedeuten. Die Redewendung bedeutet Schadenfreude. Woher sie genau stammt, ist unklar. Zum ersten Mal taucht das Händereiben in der Literatur aus dem 19. Jahrhundert auf, einer Zeit also, in der Hände waschen und mit Desinfektionsmittel einreiben noch nicht allzu verbreitet war. In «Dantons Tod» (1835) von Georg Büchner reiben sich die Fanatiker die Hände, als während der Französischen Revolution die Fallbeile im Akkord Konterrevolutionäre enthaupten.
Soziale Distanz
Substantiv, feminin
Von immigrierten Deutschen, die hier keine Freunde finden, wird uns «Soziale Distanz» seit jeher vorgeworfen. Jetzt sollen sich die Schweizer auch offiziell voneinander distanzieren. Leichter gesagt als getan: Während man gut auf Händeschütteln und Begrüssungsküsschen verzichten kann, ist die Weisung, ungefähr zwei Meter voneinander Abstand zu halten, insbesondere im öffentlichen Verkehr kaum zu befolgen. Aber seit Freitag gilt so oder so: wenn möglich zu Hause bleiben.
Vermummung
Substantiv, feminin
Und plötzlich trägt Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher (50) eine Gesichtsverhüllung; sie, deren Schweizerische Volkspartei an allen Fronten für ein Vermummungsverbot kämpft – sei es bei Krawallmachern oder bei Musliminnen. Martullo-Blocher will sich allerdings nicht primär verhüllen, sondern verhindern, dass sie das Virus über die Atemwege befällt. Auch wenn Ärzte immer wieder betonen: Solche Gesichtsmasken helfen Kranken, damit sie nicht andere anstecken. Doch der Mensch ist in Zusammenhang mit Epidemien nie rational: Kauft er heute alle Mundschutze auf, so vermummten sich im Spätmittelalter die Pestärzte mit Schnabelmasken, in der Hoffnung, die in Essig getränkten Schwämme darin würden die Atemluft filtern.
Virulenz
Substantiv, feminin
Virulenz steht für die Infektionskraft eines Erregers. Neben anderen Faktoren fällt darunter insbesondere auch die sogenannte Basisreproduktionszahl, also grob gesagt die Zahl, die angibt, wie viele Menschen ein Virus in welcher Zeit ansteckt. Beim Coronavirus liegt sie nach neuesten Berechnungen zwischen 2,79 und 3,28. Zum Vergleich: Die saisonale Grippe hat eine Basisreproduktionszahl zwischen 1,2 und 2. Das Coronavirus ist also nicht nur tödlicher, sondern auch deutlich ansteckender als eine normale Grippe.
Wuhan-Shake
Substantiv, maskulin
Händeschütteln gibts nicht mehr, neue Formen der Begrüssung müssen her. Aber welche? Eine Alternative ist der sogenannte Wuhan-Shake. Statt sich die Hände zu geben, werden die Füsse aneinandergeklatscht. Einmal rechts, einmal links. Die neue Begrüssungsform ist nicht nur hygienisch gesehen ein Hit – auf Twitter findet man Tausende Beiträge mit dem zugehörigen Hashtag, auf Youtube eine Vielzahl von Videos. Ein anderer Weg, das Handgeben zu vermeiden, ist der «Elbump». Statt der Hände werden sich die Ellenbogen gereicht. Auch auf diese Weise lässt sich der direkte Hautkontakt vermeiden und dennoch ein formell ausreichendes Hallo sagen. Der einzige Nachteil des neuen Hallo-Sagens: Seien wir ehrlich, cool ist anders.
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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