Darum gehts
- Verwahrte haben Recht auf Sterbehilfe, auch in Gefängnissen
- Selbstbestimmungsrecht gilt für Verwahrte und Häftlinge gleichermassen
- Erster Fall von Sterbehilfe für Verwahrte in der Schweiz 2023
Am Montag wurde bekannt, dass René Osterwalder (†71) am 16. April dieses Jahres in der JVS Pöschwies «mithilfe einer Sterbehilfeorganisation aus dem Leben geschieden ist». Osterwalder wurde 1998 unter anderem des mehrfachen versuchten Mordes und der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern schuldig gesprochen und musste 17 Jahre in Haft. Nun ist er tot – doch wann dürfen Verwahrte in der Schweiz Sterbehilfe beanspruchen?
Recht auf Selbstbestimmung
Strafvollzugsexperte Benjamin Brägger erklärte gegenüber SRF, auch Verwahrte hätten das Recht, den Zeitpunkt ihres Todes frei zu wählen. Das wäre in der Bundesverfassung durch das Selbstbestimmungsrecht und auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention so festgehalten – darauf hat jede urteilsfähige Person Anspruch.
Ein erstes Mal wurde dieses Recht in der Schweiz 2023 in Anspruch genommen. Damals beendete ein Verwahrter der Justizvollzugsanstalt Bostadel im Kanton Zug mit einem assistierten Suizid sein Leben.
Bestimmte Bedingungen müssen erfüllt sein
Was oft aufkommt, ist die Frage, ob die Betroffenen sich durch den Freitod nicht ihrer Strafe entziehen würden – das Bundesgericht verneint dies in seiner Praxis, wie die «NZZ» schreibt. Verwahrte haben ihre Strafe bereits abgesessen und würden nur zur Sicherheit der Öffentlichkeit verwahrt werden.
Bestimmte Bedingungen müssen aber trotzdem erfüllt sein – so soll der Tod nur gewählt werden können, wenn er der letztmögliche Weg ist. Ausserdem müssen externe medizinische Fachpersonen «unerträglichem physischen oder psychischen Leiden» bestätigen. Dies definiert das Schweizerische Kompetenzzentrum für den Justizvollzug in seinen zentralen Grundsätzen zu dem Thema.
Tod im Gefängnis oder ausserhalb?
Sind alle Voraussetzungen gegeben und die verwahrte Person wurde als urteilsfähig eingestuft, werden Sterbehilfeorganisationen wie Exit eingeschaltet. Diese verabreichen dann oft auch das tödliche Medikament – wo genau das stattfindet, kann variieren.
Sagt die Verwaltung zu, kann es auch innerhalb einer Vollzugsanstalt zu einem assistierten Suizid kommen. Ansonsten ist dies auch ausserhalb möglich. Dafür müssen dann jedoch entsprechende Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden.
Gilt das für Häftlinge genauso wie für Verwahrte?
Während Verwahrte, wie bereits erwähnt, ihre Strafe bereits abgesessen haben, sitzen Häftlinge aufgrund ihrer Vergehen noch im Gefängnis. Strafvollzugsexperte Brägger stellt fest, dass aber auch Häftlinge ein Anspruch auf einen assistierten Suizid hätten – das Recht auf Selbstbestimmung dürfe nicht vom strafrechtlichen Status einer Person abhängig gemacht werden.