Kurz zusammengefasst
- Im mittleren Alter wird man zu der Person, die man nie werden wollte
- Spart man sich Dinge auf, ist das Leben auch später aufregend
- Gisler ist bekennender Mamil
Frau Vetsch, Herr Gisler, unser Gespräch trifft sich gut: In einem halben Jahr werde ich selbst vierzig.
Tom Gisler: Ein Frischling!
Mona Vetsch: In unserem Programm sagen wir euch Welpen. Sie sind herzig, gucken einen mit treuen Augen an und sagen, gell, es ist sicher nicht so schlimm, wie ich mir das vorstelle.
Gisler: Und Mona sagt dann mit unschuldiger Miene: Neeeeeeeein.
Woran merkt man, dass man ins mittlere Alter kommt?
Gisler: Man spricht ganz viel über den eigenen Körper. Sitzt man mit Freunden beim Znacht zusammen, geht es plötzlich nur noch um Gesundheitsthemen. Um Bobos.
Vetsch: Der Körper macht plötzlich Sachen, die er vorher nicht gemacht hat. Es ist ein fliessender Übergang von Beautypflege zu Unterhalt. Manchmal komme ich mir vor, als wäre ich für meinen eigenen Körper der Abwart. Jetzt weiss ich auch, warum die Schulabwarte früher so hässig waren. Es ist immer etwas kaputt. Kaum hast du oben rechts die Schulter geflickt, lödelets an einem anderen Ort.
Und, waren Sie auch hässig?
Vetsch: Eher nachdenklich. Du spürst den eigenen Zerfall. Man muss sich mit Vorsorgeuntersuchungen beschäftigen. In deinem Umfeld kommen Leute mit schlimmen Befunden nach Hause. Krebs. Früher hat es dich mit dem Velo auf den Latz gehauen, und du bist wieder aufgestanden und weitergefahren. Heute brauchst du Tage, um dich zu erholen. Du realisierst: Du bist nicht unsterblich, und der Körper verzeiht dir nicht mehr alles.
Gisler: Man hat regelmässiger einen Termin beim Physiotherapeuten oder bei der Osteopathin. Früher schob man sich unter dem Tisch gegenseitig berauschende Substanzen zu. Heute sind es Telefonnummern von gutem medizinischem Personal.
Mona Vetsch (49) wuchs auf einem Bauernhof in Hattenhausen TG auf. Nach abgebrochenem Wirtschaftsstudium stieg sie bei Radio Thurgau in den Journalismus ein. Seit 1997 ist sie für SRF tätig, moderierte Sendungen wie «Oops!», «Club» und Spezialformate wie «Mona mittendrin» und «Auf und davon». Bis 2017 führte sie zudem durch die Morgenshow von Radio SRF 3. Vor kurzem wurde sie mit dem Prix Walo als Publikumsliebling ausgezeichnet. Vetsch lebt mit ihrem Mann und drei Buben in Zürich.
Tom Gisler (49) wuchs in Uerikon ZH als Arbeiterkind auf. Nach einer Banklehre wechselte er bald zum Radio. Seit 2008 moderiert er auf SRF 3 den Freitagnachmittag und die Gesprächssendung «Focus». Am Fernsehen führte er 2018 und 2022 durch die SRF-Fussball-WM-Formate «Letschti Rundi» und «Sykora Gisler Spezial». Ausserdem ist er Gastgeber im SRF-Fussball-Podcast «Sykora Gisler». Gisler hat eine Tochter und lebt mit seiner Partnerin in Zürich.
Mona Vetsch (49) wuchs auf einem Bauernhof in Hattenhausen TG auf. Nach abgebrochenem Wirtschaftsstudium stieg sie bei Radio Thurgau in den Journalismus ein. Seit 1997 ist sie für SRF tätig, moderierte Sendungen wie «Oops!», «Club» und Spezialformate wie «Mona mittendrin» und «Auf und davon». Bis 2017 führte sie zudem durch die Morgenshow von Radio SRF 3. Vor kurzem wurde sie mit dem Prix Walo als Publikumsliebling ausgezeichnet. Vetsch lebt mit ihrem Mann und drei Buben in Zürich.
Tom Gisler (49) wuchs in Uerikon ZH als Arbeiterkind auf. Nach einer Banklehre wechselte er bald zum Radio. Seit 2008 moderiert er auf SRF 3 den Freitagnachmittag und die Gesprächssendung «Focus». Am Fernsehen führte er 2018 und 2022 durch die SRF-Fussball-WM-Formate «Letschti Rundi» und «Sykora Gisler Spezial». Ausserdem ist er Gastgeber im SRF-Fussball-Podcast «Sykora Gisler». Gisler hat eine Tochter und lebt mit seiner Partnerin in Zürich.
Es gibt Leute, die erst im mittleren Alter auf diese Substanzen kommen. Erst jetzt trauen sie sich. Kennen Sie das?
Gisler: Das habe ich mir leider verbockt, ich habe viel zu früh damit angefangen. Das hätte ich mir für das mittlere Alter aufsparen sollen.
Vetsch: Das wäre ein Tipp an alle Jungen: Du musst nicht in jungen Jahren schon alles gemacht haben. Das Leben wird, je länger es dauert, desto gleichförmiger. Die ersten Male werden weniger. Man muss sich selbst den Kick suchen. Spart man sich Dinge auf, ist das Leben auch später aufregend.
Das erinnert mich an das Phänomen Mamil, «middle-aged man in Lycra» – die vielen Männer, die sich ab vierzig in den Sportdress zwängen. Was beobachten Sie?
Gisler: Ich bin ein bekennender Mamil.
Vetsch: Die meisten Frauen haben offenbar solche Männer daheim. Es wird bei keinem Thema so laut gelacht im Saal, wie wenn wir auf der Bühne darüber sprechen. Ab einem gewissen Alter nimmt die Leistungsfähigkeit bei den Männern ab, aber die Gadgets und die Ausrüstung werden immer mehr.
Gisler: Ich hab massiv mehr Gadgets als Mona. Bei mir fing es um die vierzig an, als meine Achillessehne riss. Ich wollte mir beweisen, dass ich es noch kann, und habe mich für einen Triathlon angemeldet. Wenn du auf diesem Trip bist, verfällst du der Illusion, dass es schon noch besser ginge, wenn du nur die richtige Ausrüstung hättest. Das ist der Anfang vom Ende.
Inwiefern?
Vetsch: Ab dem Moment muss die Partnerin oder der Partner anfangen, das Haushaltsbudget sehr genau im Auge zu behalten.
Gisler: Oder das Konto sperren.
Vetsch: Oder man muss über getrennte Konti nachdenken.
Studien zeigen, dass wir Mitte vierzig am Tiefpunkt unserer Lebenszufriedenheit sind. Ihnen scheint es wunderbar zu gehen. Täuschen die Ergebnisse?
Vetsch: Ich gebe Entwarnung. Die Forschung zeigt auch, dass eine Krise gar nicht bei allen Thema ist. Sie ist nicht obligatorisch.
Gisler: Midlife-Crisis ist fakultativ.
Vetsch: Aber ja, es ist eine schwierige Zeit. Du hast die Kinder, um die du dich kümmerst. Du kommst mit deinem Partner oder deiner Partnerin an einen Punkt, wo du überlegen musst: Können wir nach der Kinderzeit auch noch ein Paar sein? Du wirst krankheitsanfälliger. Du stehst mitten im Berufsleben, musst da noch mal Gas geben, um durchzuhalten oder noch mal etwas ganz Neues anzufangen. Und plötzlich werden auch deine Eltern bedürftiger. Darum heissen wir Mittelalten «Sandwich-Generation». Von allen Seiten drückts.
Gisler: Deshalb unser Bühnenprogramm. Wir sagen: Ja, es ist streng, aber du bist nicht alleine. Du musst dich nicht schlecht fühlen, wenn du es nicht packst. Laut Glücksforschung ist unsere Lebenszufriedenheit in dieser Phase auf einem Tiefpunkt. Danach geht es aber wieder aufwärts. Du hast noch viel Gutes vor dir.
Was schätzen Sie an dieser Lebensphase?
Vetsch: Man tut Dinge, die vorher nie infrage gekommen wären. Wenn du ins mittlere Alter kommst, wirst du zu der Person, die du nie werden wolltest.
Woran machen Sie das fest?
Vetsch: Ich habe mir ein Gartenhäuschen angeschafft und eingerichtet. Das war das Highlight meines Sommers. Als junger Mensch hätte ich gelacht, wenn mir jemand gesagt hätte: Du hast einmal einen Garten und liest Gartenheftli. Die ersten dieser Hefte habe ich in Zeitungen geschoben, wenn ich sie kaufte, so wie manche Männer früher die Pornoheftli. Mittlerweile bin ich komplett entspannt.
Gisler: Wir haben uns total gefunden im Gärtnern. In meinem Google-Suchverlauf findet man zig Seiten zum Thema «Aubergine ausdünnen». Wenn du mir früher gesagt hättest, du googelst das dann mal, hätte ich gesagt: Dann müsst ihr mich abtun.
Befreit das mittlere Alter von Zwängen?
Vetsch: Es ist sogar ein Muss. Man muss sich vom «jungen» Blick auf sich selbst verabschieden.
Wird man gelassener?
Gisler: Nicht automatisch. Man muss schon etwas dafür tun. Es hilft, sich zu überlegen, was man eigentlich schon alles geschafft hat, dann muss man nämlich auch nicht mehr jedem Ziel nachrennen.
Vetsch: Das ist eine Erleichterung. Wenn du jung bist und alle Möglichkeiten hast, hast du auch immer Angst, etwas zu verpassen. Wir haben viele Entscheidungen schon getroffen. Jetzt kann man nur noch beeinflussen, mit welchem Blick man darauf schaut. In unserem Alter geht es um das Verhältnis zu sich selbst.
Wird man klüger?
Gisler: Man wird erfahrener. Ich weiss sehr gut, was ich alles nicht kann und nicht bin, auch wenn ich es gerne wäre. Das entspannt.
Vetsch: Was wärst du denn gerne?
Gisler: Ich wäre gerne selbstsicher und total belastbar. Ich würde gerne auf vielen Hochzeiten tanzen. Ich hätte gerne, dass mir vieles leichtfällt. Ich wäre gerne Triathlon-Weltmeister. Nur schon davon muss ich mich verabschieden (lacht).
In Ihrem Bühnenprogramm schauen Sie zurück auf die Zeit, in der Sie jung waren. Was sind die Dinge, die Ihre Generation verbinden?
Vetsch: Wir haben noch alle zusammen Fernsehen geschaut. Damals gab es noch die grossen Samstagabendkisten. Und wir sind die Generation Brieffreundschaft. Ich hatte 15 Brieffreundinnen in der ganzen Schweiz. Das Heftli «Schweizer Jugend» hatte eine eigene Annoncen-Rubrik dafür.
Gisler: Wir sind die Generation Polstergruppe und Wohnwand. Zu Hause sagten wir dem Diwan und Buffet. Letzteres war ein riesiges Möbel, in das man den ganzen Haushalt versorgte: Geschirr, Fotoalben, Alkohol, Videokassetten.
Vetsch: Oder Guschti-Brösmeli-Kasetten. Und es war alles braun. Tom und ich haben alte Fotos voneinander angeschaut, die uns auf braunen Sofas zeigen.
Sie, Frau Vetsch, begannen in den 90er-Jahren mit der Jugendsendung «Oops» Ihre TV-Karriere. Waren Sie beide da schon befreundet?
Gisler: Als Blauhaarige kannte ich dich noch nicht, Mona. Als du anfingst, Fernsehen zu machen und produktiv zu sein, bin ich am See gesessen und habe ganz viele Kräuter geraucht.
Vetsch: Dafür hast du eine KV-Berufslehre abgeschlossen. Ich habe das Studium abgebrochen.
Wären Sie Freunde geworden, wenn Sie einander gekannt hätten?
Vetsch: Nein. Wir lebten komplett verschiedene Leben. Wir haben uns erst ab 2008 bei DRS 3 kennengelernt.
Gisler: Du bist mit harter Rockmusik aufgewachsen. Ich war unter anderem in der Techno-Szene unterwegs. Wir sind heute noch sehr verschieden.
Inwiefern?
Gisler: Ich suche Ordnung. Sie liebt das Chaos. Wir bereichern uns gegenseitig.
Vetsch: Ich fordere dich gleichzeitig heraus. Ich suche immer wieder neue Aufgaben und habe tausend Ideen im Kopf. Tom mag Struktur. Ihm fällt es dafür leichter, sich zu entscheiden. Ich kann mich schlecht entscheiden.
Gisler: Hätten wir uns in jungen Jahren schon kennengelernt, hätte ich gedacht: Wow, du gehst mir so auf die Nerven. Du bist mega anstrengend.
Vetsch: Ich hätte über dich gedacht: Was bist du für ein arroganter Sack. Komm mal runter, chills!
Was verbindet Sie?
Vetsch: Wir sind beide seltsam, einfach auf eine je eigene Art. Tom ist ein komischer Kerl, das liebe ich an ihm.
Gisler: Seit ich intensiv mit Mona zusammenarbeite, ist mir vieles über mich selbst bewusster geworden. Ich bin ein Monk und verhalte mich manchmal abweisend und unzugänglich. Jetzt verstehe ich auch, warum manche Leute schräg auf mich reagieren.
Ist das so?
Vetsch: Nein, du wirkst immer souverän und abgeklärt. Dabei mauerst du dich ein, wenn dir etwas zu viel wird. Dann höcklet der Tom wie Rapunzel im Turm oben und zieht seine Haare hoch.
Gisler: Wir sind beide eher unsicher und haben Selbstzweifel. Wir gehen aber anders damit um. Mona geht in Aktion und redet viel, ist quirlig und lustig. Ich ziehe mich dann eher zurück.
Muss man eigentlich eine lustige Person sein, um gute Comedy zu machen?
Gisler: Wir sind nicht die, die privat an einer Party den ganzen Raum unterhalten. Wir sind aber auch keine Comedians.
Sie machen keine Comedy?
Gisler: Nein. Aber wenn man einen guten Abend verbringen will, bei dem auch gelacht wird, dann ist man bei uns richtig.
Vetsch: Am lustigsten sind oft die Fragen aus dem Publikum. Als Gäste laden wir Bekannte von uns ein und sprechen mit ihnen ganz persönlich darüber, wie das so ist, mittelalt zu sein. Ja, eigentlich machen wir einen Abend unter Freunden.
Ihr Bühnenprogramm «Im mittleren Alter» zeigten Tom Gisler und Mona Vetsch bereits 31 Mal vor ausverkauften Sälen.
Nun wurde die Tour verlängert. Infos und Tickets online.