Ursula Frei (63) aus Lommiswil SO hat die Trauer überwunden – und zeigt Grösse. Ihr Freund Ruedi Stohler (†64) ging im Februar 2015 wegen Rückenschmerzen ins Bürgerspital Solothurn, wurde mit der Diagnose Hexenschuss wieder heimgeschickt. Er starb wenige Stunden später wegen eines Aortarisses. Doch Frei hegt keinen Groll auf die behandelnde Ärztin. Sie ging am Dienstag sogar an den Prozess nach Solothurn, um die wegen fahrlässiger Tötung angeklagte Zofia T.* (35) zu unterstützen.
Laut Staatsanwaltschaft soll die Ärztin, die einen Strafbefehl (bedingte Geldstrafe von 3000 Franken) nicht akzeptiert hatte, die Sorgfaltspflicht verletzt haben. Doch sie wehrt sich: «Ich war sehr unerfahren, es war einer meiner ersten Tage auf der Notfallstation.» Und: Sie habe zuvor auch noch nie einen Patienten mit einer solchen Erkrankung gehabt.
Ärztin besprach alles mit Oberarzt
An jenem Tag sei sie mit anderen Patienten zudem «sehr gefordert» gewesen. Aus ihrer Sicht hatte sie Ruedi Stohler korrekt behandelt. «Ich hatte eine sehr plausible Erklärung von ihm. Es war eine Alltagsbewegung, die er gemacht hatte.»
Stohler hatte sein Akkordeon aufgehoben und dann einen akuten Schmerz in der Lendenwirbelsäule gespürt. Daraufhin fuhr er ins Spital. «Er hatte keine anderen Beschwerden», sagt Zofia T. Sie habe zu keinem Zeitpunkt an ihrer Diagnose gezweifelt. Zudem habe sie alles mit dem Oberarzt besprochen. Dieser sei in der Verantwortung gewesen und habe entschieden, den Patienten zu entlassen.
Anwalt von Zofia T. fordert Freispruch
«Es tut ihr natürlich sehr leid, dass er verstorben ist», sagt Christian von Wartburg, der Anwalt der Ärztin. Aber: «Dort, wo Menschen arbeiten, können Fehler passieren.» Er ergänzt die Aussagen seiner Klientin und sagt, dass der damalige Oberarzt per Strafbefehl verurteilt worden sei. Dieser sei rechtskräftig und entlaste seine Mandantin «komplett».
Zofia T. habe bei ihrer Arbeit «alles eingehalten – im Rahmen des erlaubten Risikos». Und: Man wisse nicht, ob der Riss bei der Entlassung aus dem Spital schon passiert war. Von Wartburg fordert einen Freispruch.
Freundin von Todesopfer ist erleichtert
Das Gericht folgt den Ausführungen des Anwalts – und spricht Zofia T. frei. «Meine Mandantin und ich sind sehr erleichtert», sagt von Wartburg danach. «Diese Sache hat nun hoffentlich ein Ende gefunden.» Denn der Fall habe sie «mitgenommen».
Ursula Frei ist ebenfalls erleichtert. «Der Freispruch war mir ein tiefes Anliegen», sagt sie zu BLICK. «Auch weil ich selbst Ärztin bin. Es ist schön, dass Zofia T. jetzt weiter ihre Tätigkeit ausüben kann. In Frieden.»
* Name geändert