Erstmals spricht Elisa A., die Witwe des Killers von Würenlingen AG
Ihr Mann löschte ihre Familie aus

Elisa A. hat beim Blutbad von Würenlingen Eltern und Bruder verloren. Der Täter: Ihr eigener Ehemann, der sich im Anschluss selbst tötete. Mit BLICK spricht Elisa erstmals über die Wahnsinnstat.
Publiziert: 14.09.2018 um 01:58 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 23:29 Uhr
Jetzt spricht Elisa A.
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Witwe des Killers von Würenlingen AG:Jetzt spricht Elisa A.
Helena Schmid

Hinter ihr klinkt das eiserne Schloss des Friedhofsgatters ein. Elisa A.* hält inne. Mit den Fingern umklammert sie ein faustgrosses grünes Päckchen – ein Geschenk ihres jüngsten Kindes. Der Gang auf den Friedhof in Würenlingen AG kostet die Mutter viel Kraft. Drei Familienmitglieder sind hier begraben, sie alle starben beim Blutbad von Würenlingen. Der Täter: Elisas eigener Mann. Mit BLICK spricht sie erstmals über die schreckliche Tragödie.

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Elisa bringt Blumen auf das Grab ihrer Eltern und ihres Bruders.
Foto: JESSICA KELLER

Die Wahnsinnstat geschah vor etwas mehr als drei Jahren, am 9. Mai 2015. Im Haus seiner Schwiegereltern eröffnet Semun A.* (†36) das Feuer. Er erschiesst seine Schwiegereltern Elisabeth (†59) und Karl (†57) sowie seinen Schwager Jonas (†31). Bei der Rückkehr zum Auto trifft er zufällig auf Nachbar Thierry K.* (†45), der im Garten eine Zigarette raucht. Er tötet auch ihn mit mehreren Schüssen. Dann richtet sich Semun A. selbst. Elisa bleibt mit den vier gemeinsamen Kindern zurück.

Der Mann löschte das Leben der Liebsten aus

Vater, Mutter, Bruder – ausgelöscht. Vom eigenen Ehemann. Seit der Tragödie lebt Elisa nicht mehr alleine. Sie wohnt und arbeitet in einer Wohngemeinschaft. Von ihren Kindern wurde sie getrennt. 

Bekannte der Familie beschreiben Semun A. als Tyrannen. Er habe Elisa isoliert, ihr den Kontakt zu den Eltern verboten. Zudem setzte er sie massiv unter Druck. Nachbarn hörten ihn häufig schreien. Noch vor der Tat entfloh sie seinem Regime, zog in eine Institution in Schwyz. Die Kinder wurden schon vor den tödlichen Schüssen fremdplatziert. 

Auch das Grab ihres Mannes besucht sie

Wut, Sehnsucht, Scham? Über ihre Gefühle zu Semun A. sagt Elisa heute: «Ich war eine treue und gute Ehefrau.» Treu bleibt sie ihrem Mann auch über den Tod hinaus. An seiner Beerdigung sitzt sie in der hintersten Reihe der Kirche. Auch sein Grab in Altendorf SZ besucht sie immer noch regelmässig, kümmert sich um die Blumen.

Auf das Grab ihrer Eltern und des Bruders legt sie heute hellgrüne Rosen. Allmählich kehrt sie ins Leben zurück «Mittlerweile habe ich wieder Kontakt mit Freundinnen von früher. Das tut mir gut und vermittelt mir ein gesundes Umfeld», sagt sie leise.

Elisa weiss, sie muss stark sein. Für sich und für die Kinder. «Aber jetzt geht es uns gut», so die Mutter. Dennoch: Ob sie jemals wieder selbständig mit ihren Kindern unter einem Dach leben kann, weiss sie nicht. Geldsorgen plagen sie. «Auch finanziell mussten wir diese Jahre untendurch», sagt sie.

Elisa möchte den Betroffenen Danke sagen

Beim Treffen mit BLICK hat Elisa einen grossen Wunsch: Sie möchte Danke sagen. «Ich bedanke mich bei den Angehörigen der Opfer von Würenlingen, beim Fussballklub, meinem Anwalt und bei allen Trauernden. Für ihre Stärke und ihr Verständnis. Ich bedauere die Umstände sehr und weiss, was sie durchmachen mussten», sagt sie.

Elisa kennt den Schmerz, die Verzweiflung, Wut und Trauer derer, an die sie diesen Dank richtet. Sie erklärt: «Mir war wichtig, dass sie das mal von mir hören.» Sie, die Hinterbliebenen. Auch die Familie des verstorbenen Nachbarn Thierry K. Mit seiner Familie hatte Elisa bisher keinen Kontakt aufgenommen. Ihr fehlte bisher die Kraft dafür.

Sie öffnet das eiserne Gatter. Verlässt den Friedhof, schaut nicht zurück zum Grab. Sie will weg hier. Als der Friedhof ausser Sichtweite gerät, entspannt sich ihr Gesicht. Vergessen kann Elisa niemals. Ihr Mann hat ein viel zu tiefes Loch in ihr Leben gerissen.

* Name der Redaktion bekannt

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