«Er ist ein gefühlskalter Psychopath»
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Er verlor Eltern und Schwager:«Er ist ein gefühlskalter Psychopath»

Ali Ekici verlor bei Bözberg-Crash Eltern und Schwager – jetzt steht Porsche-Fahrer Darko G. vor Gericht
«Ich hoffe, dass er lebenslänglich kriegt!»

Seit zwei Jahren kann Ali Ekici (40) nicht mehr richtig schlafen – er verlor auf einen Schlag seine Eltern und seinen Schwager. Dies, weil Darko G. (46) mit seinem Porsche auf der A3 vor dem Bözbergtunnel in deren Auto knallte. Seit Montag steht er dafür vor Gericht.
Publiziert: 29.11.2021 um 01:29 Uhr
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Aktualisiert: 29.11.2021 um 12:51 Uhr
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Darko G. auf dem Weg zum Gericht.
Foto: Philippe Rossier
Ralph Donghi und Luisa Ita

Im Eingangsbereich seiner Wohnung in Oberwil BL hat Ali Ekici (40) ein grosses Foto seiner Eltern Naciye (†55) und Mehmet Ekici (†64) aufgehängt. Im Rahmen steckt ein kleines Foto, auf dem die beiden mit Ekicis Schwager Bülent Kilic (†42) zu sehen sind. Ekici hängt das Bild ab, nimmt es mit an den Stubentisch. «Es ist, als wäre der Unfall gestern passiert», sagt er unter Tränen zu Blick. «Mein Herz ist gebrochen.»

Der verheiratete, selbständige Türke verliert seine Eltern und seinen Schwager am 27. November 2019. Die drei sind damals in ihrem roten Renault Kadjar auf der A 3 Richtung Zürich unterwegs. «Mein Vater arbeitete 30 Jahre lang als Lagerist, und die Pension stand an», sagt Ekici. «Deshalb wollten sie ins Konsulat nach Zürich fahren, um noch Papiere zu holen.»

Plötzlich gab es Stau

Doch auf Höhe Effingen AG, kurz vor dem Bözbergtunnel, gerät der Renault in einen Stau. «Sie bremsten ab, waren das letzte Auto und noch etwa mit 30 km/h unterwegs», weiss Ekici.

Dann passiert es: Von hinten kommt Darko G.* (46) mit seinem weissen Porsche Cayenne herangefahren. «Er soll zuvor mit etwa 160 km/h gerast sein», sagt Ekici. «Er soll Streit mit seiner Frau gehabt haben.» Sie habe ihn offenbar betrogen und Geld von seinem Konto genommen. Der Montenegriner habe sich deshalb wohl umbringen wollen.

«Alle drei hatten keine Chance»

Sicher ist: Der Porsche knallt am Ende laut Staatsanwaltschaft «ungebremst» und mit «mindestens 133 km/h» ins Heck des Renaults, der noch in einen Sattelanhänger geschoben wird. Ekici: «Alle drei hatten keine Chance.»

Seit Montagmorgen steht der Montenegriner deswegen vor Gericht. Mit gesenkten Kopf sitzt der Beschuldigte an seinem Platz und starrt auf seinen Tisch. Er spricht kein deutsch, daher ist eine Übersetzerin anwesend. Doch er gibt sich wortkarg, beantwortet Fragen mehrheitlich mit Kopfschütteln oder murmelt die Antworten nur ganz leise in seiner Muttersprache.

Der Gerichtspräsident weist ihn schliesslich darauf hin, seine Antworten deutlicher von sich zu geben. Doch seine eigentliche Befragung beginnt erst später, der Auftakt gibt die Befragung des Gutachters Thomas Knecht. Der forensische Psychiater attestiert Darko G. zum Zeitpunkt des Unfalls eine verminderte Schuldfähigkeit.

«Hochpräzis geschafft, noch die Fahrbahn zu wechseln»

Der Crash-Fahrer habe nicht nur einfach eine schlechte Tagesform gehabt. Seine Frau habe die Trennung gewollt, was ihn unter anderem um seine Existenz habe fürchten lassen, da er auch wirtschaftlich von der Schwiegerfamilie abhängig gewesen sei. Er habe sich dadurch in einem emotionalen «Ausnahmezustand» befunden.

Ausserdem habe kurz vor dem Crash noch ein Telefonat mit seiner Noch-Ehefrau stattgefunden, was seine Stimmung zusätzlich beeinträchtigt habe. Ganz von Sinnen sei er jedoch nicht gewesen, führt Knecht bei seiner Befragung aus. «Hochpräzis hat er es geschafft, noch die Fahrbahn zu wechseln», sagt er und beruft sich auf das Überwachungsvideo, welches offenbar von dem Crash vorliegt. «Für eine solche kognitive Leistung hat es noch gereicht.»

Zum Schluss habe er die Wahl gehabt, entweder noch diesen Spurwechsel vorzunehmen oder ungebremst in ein Baustellenfahrzeug zu prallen — «Schliesslich wurde er von seinen Selbsterhaltungsinstinken überwältigt.»

Die Trauer bei Ekici ist immer noch riesig

Ekici erhielt damals gegen 16 Uhr von seiner Schwägerin einen Anruf. «Sie sagte, sie erreiche meinen Schwager und meine Eltern nicht.» Er sei sofort nach Hause gegangen und habe im Internet die ersten Unfallbilder gesehen. «Ich habe das Auto sofort erkannt.» Er habe seine Angehörigen zusammengerufen. «Um etwa 21 Uhr hat uns dann die Polizei informiert.»

Für die Angehörigen bricht eine Welt zusammen. «Mein Schwager hinterliess eine Frau und ein damals fünfjähriges Töchterchen. Es kann heute noch nicht verstehen, warum ihrem Papi dies passieren musste», so Ekici. Sein Schwager, der in einer Hotelrezeption arbeitete, sei ein toller Vater gewesen. Er habe seine Familie und sie ihn geliebt.

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Auch von seinen Eltern schwärmt Ekici. «Sie waren einzigartig und immer korrekt.» Das Schlimmste sei gewesen, als er sie am Tag nach dem Unfall habe identifizieren gehen müssen. Auch die Beerdigung in der Türkei werde er nie vergessen. «Seine Eltern auf diese Weise zu Grabe tragen zu müssen – das wünsche ich niemandem.» Sie würden vermisst. «Ich habe heute noch das Gefühl, sie kommen gleich zur Türe rein.»

Darko G. ist auf freiem Fuss

Und Ekicis Gefühle gegenüber dem Porsche-Fahrer? «Er ist ein gefühlsloser Mensch und hat mit Absicht gehandelt.» Er könne nicht verstehen, dass er schon nach wenigen Wochen aus der U-Haft entlassen wurde. «Auch ohne Billett kann er jederzeit in ein Auto steigen!»

Ekici hofft nun, dass Darko G., der ab Montag wegen mehrfacher vorsätzlicher Tötung vor dem Aargauer Bezirksgericht Brugg steht, «lebenslänglich!» kriegt. Respektlos sei: «Der hat sich nie entschuldigt.»

Staatsanwaltschaft fordert sieben Jahre

Die Staatsanwaltschaft wird für Darko G. sieben Jahre Gefängnis und einen zehnjährigen Landesverweis fordern. Zudem soll eine vollzugsbegleitende ambulante Massnahme angeordnet werden. Denn: Darko G. soll beim Unfall vermindert schuldfähig gewesen sein.

«Für mich war das mehrfacher Mord», sagt Ekici. Er will mit seinen Geschwistern am Prozess teilnehmen. Und wünscht Darko G.: «Dass er nie mehr richtig schlafen kann. So wie ich es auch nicht mehr kann.»

Darko G. und sein Verteidiger wollten vor dem Prozess keine Stellung nehmen. Es gilt die Unschuldsvermutung.

* Name geändert

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