Darum gehts
- Modellflugsportverein Stetten muss nach Bundesgerichtsentscheid den Flugplatz räumen
- Der Verein nutzte das Fluggelände auf Grasland seit 1989 in Stetten AG
- 80 Mitglieder betroffen, Gerichtskosten belaufen sich auf 10'000 Franken
In Stetten AG scheint die Sonne. Ein langer Feldweg führt von einem Bauernhof schnurgerade bis an die Reuss. Daneben befindet sich ein hohes Maisfeld, es herrscht Ruhe. Plötzlich schiesst ein kleines Flugzeug ins Blickfeld. Es wendet in einem engen Bogen, stoppt mitten in der Luft, schiesst nieder und wieder hoch, macht Kapriolen.
Das Flugzeug gehört zum Modellflugsportverein Stetten (MSV), der seit 1978 besteht. Die Gruppe mit 80 Mitgliedern nutzt seit 1989 hier das Fluggelände auf einem schmalen Streifen Grasland, direkt neben dem Maisfeld, mit Motor- und Segelflugzeugen und Helikoptern. Die grüne «Piste» ist mit einem Zaun abgetrennt, professionell hängt auch ein orange-weisser Luftsack für die Bestimmung der Windrichtung an einer Stange.
Bald muss der Verein weg
Über 35 Jahre lang war dieses versteckte Stück verpachteten Landes der Mittelpunkt des Vereinslebens im MSV Stetten. Hierhin kamen die Mitglieder, um zu fliegen, um zu fachsimpeln und um junge Piloten auszubilden.
Jetzt aber ist die heile Fliegerwelt bedroht. «Arg in Gefahr sogar», sagt Vereinspräsident Adrian Eggenberger (67) zu Blick. Denn ein Entscheid des Bundesgerichts droht den Verein gänzlich zu grounden. «Bald wird ein Räumungsbescheid kommen. Dann müssen wir weg», sagt Eggenberger betrübt.
Hintergrund ist die Entwicklung des Vereins: 1992 bekam der Modellflugsportverein Stetten eine Betriebsbewilligung der Gemeinde. Knapp 30 Jahre lang konnten die Mitglieder problemlos fliegen. Der Verein stellte auch ein WC und einen Unterstand auf. Schlussendlich ein Problem: Eines Tages wurde dem Umweltdepartement des Kantons Aargau zugetragen, dass an der Reuss ein «Modellflugplatz bestehe, der immer intensiver genutzt werde», wie es im Entscheid des Bundesgerichts heisst.
Betriebsbewilligung, aber keine Baubewilligung
Bei der Überprüfung merkte der Kanton, dass der Verein zwar eine Betriebs-, aber keine Baubewilligung für die Piste, das WC und den Unterstand hatte, und forderte diese ein. Der MSV Stetten reichte 2019 eine Baubewilligung nach, Gemeinde und Kanton hiessen sie im Jahr darauf gut.
Doch ein Einsprecher ging dagegen vor, zog den Fall vor das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau. 2023 bekam er dort recht. Daraufhin gelangte der Modellflugverein wiederum an das Bundesgericht – wo er jetzt verlor. Denn das Bundesgericht stützt das Urteil des Verwaltungsgerichts.
Das Verwaltungsgericht urteilte vor zwei Jahren: «Heute wird nicht mehr nur geflogen, der eingerichtete Modellflugplatz ist vielmehr zu einem gesellschaftlichen Treffpunkt der Vereinsmitglieder und Interessierten geworden.»
Der Modellflugplatz von heute stehe in keinem Verhältnis mehr zum Anfangszustand der 90er-Jahre. Damals gab es noch wenige Mitglieder, kein mobiles WC und keine weitere Infrastruktur. Die «Entwicklung und Intensivierung» des Flugplatzes sei «schleichend» erfolgt.
Unterirdischer Bach wird gestört
Der Flugplatz, der in der Landwirtschaftszone liegt, habe sich in den letzten 35 Jahren stark verändert, und die Vorschriften für solche Einrichtungen seien heute deutlich strenger als damals.
Ein grosses Problem: der Gewässerschutz. Denn mitten durch den Flugplatz hindurch fliesst ein Bach. Dieser Gewässerraum dürfe nicht gestört werden, argumentieren die Gerichte. Dass der Bach seit den 1930er-Jahren unterirdisch verläuft, macht dabei keinen Unterschied.
Rechtlich möge bei diesen Entscheiden alles seine Richtigkeit haben, sagt Eggenberger, aber: «Das hat nichts mehr mit gesundem Menschenverstand zu tun. Für den Normalbürger ist das völlig unverständlich.»
Als wäre das nicht genug, muss der MSV Stetten die Bundesgerichtskosten berappen und die Einsprecher entschädigen. Kostenpunkt, alles in allem: 10'000 Franken.
«Wir wären froh um Hilfe»
Wann genau der Verein hier wegmuss, ist noch nicht klar. «Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt», sagt Eggenberger. Die Suche nach einem alternativen Standort läuft, wenn auch harzig: «Wir haben während Hunderter Stunden an die 40 Objekte angeschaut, sind aber nicht fündig geworden.» Im schlimmsten Fall droht dem Verein die Auflösung. Das will hier niemand.
Eine Hoffnung hat Eggenberger noch. Mithilfe von Blick startet er einen letzten Aufruf: «Wir wären froh um Hilfe. Vielleicht hat jemand ein Modellfluggelände für uns?»
Der Einsprecher reagierte derweil nicht auf Kontaktaufnahmen durch Blick.