Kantonsveterinär lässt in Biel BE Präriehunde beschlagnahmen
«Sie haben Johnny und Mary auf dem Gewissen»

Fünf Jahre lang hielt Rosanna S.* aus Biel BE zwei Präriehunde in ihrer Bieler Wohnung. Dafür aber braucht es eine Genehmigung. Weil die Italienerin keine hatte, wurden ihr die possierlichen Tiere weggenommen. Jetzt sind sie tot.
Publiziert: 23.07.2021 um 07:18 Uhr
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Aktualisiert: 10.08.2022 um 04:39 Uhr

Der grosse Käfig ist leer. Das Laufrad steht. Kein Pfeifen weckt mehr Rosanna S.* (50) am Morgen. Nie mehr werden Johnny und Mary mit Frauchen kuscheln, in ihren Armen schlummern oder in den Sofakissen ihren Bau «graben». Traurig ist die neue Stille in der Bieler Wohnung. «Sie waren wie meine Kinder. Und ich war ihre Mama. Ich vermisse meine Lieblinge so sehr», sagt Frauchen Rosanna. Doch mehr noch als die Trauer wühlt in ihr die Wut.

«Fünf Jahre hatte ich meine Präriehunde. Sie waren erst ein paar Monate alt, als ich sie in Italien erwarb», erzählt Rosanna S. ,«beim Umzug in die Schweiz nahm ich sie mit. Es ging ihnen wunderbar. Sie waren gut genährt und quietschfidel. Ich war zuletzt im Oktober 2020 beim Tierarzt mit ihnen». Rosannas Problem: Sie hat keine Schweizer Haltebewilligung. «Ich hatte zwar in Italien einen Kurs bei der Züchterin belegt, der Schein jedoch wird hier nicht anerkannt». In der Schweiz hätte sie eine dreijährige Ausbildung zur Zootierpflegerin absolvieren müssen, um Präriehunde halten zu dürfen. Und so kommt es zur persönlichen Tragödie.

Plötzlich stehen Kantonsveterinär und Polizei vor der Tür


Eine Ex-Kollegin zeigt Rosanna S. bei den Behörden an. Am 16. April 2021 stehen eine Kantonsveterinärin und zwei Polizeibeamte bei der Italienerin vor der Tür. Sie wollen die Präriehunde beschlagnahmen. Die seien nicht artgerecht gehalten und müssten raus aus der privaten Wohnung. Rosanna S. gerät in Panik. «Gebt mir eine Busse, bestraft mich. Nur lasst mir meine Tiere», bettelt die Italienerin unter Tränen.

Die Besitzerin gibt der Kantonsveterinärin einen Beutel mit dem Futter mit, fleht sie an, gut auf die Tiere gut zu achten. «Ich habe ihr gesagt, die Tiere brauchen Wärme. Sie dürfen nicht unbeaufsichtigt im Freien sein, da sie giftige Wurzeln fressen könnten. Sie müssen sich an die gewohnte Diät halten.» Rosanna macht sich grosse Sorgen. Sie fragt bang, wann sie ihre Tiere zurückhaben können.

Anwältin fordert Akteneinsicht, die Wahrheit kommt ans Licht


Die Antwort ist kalt: Sie habe mit der Wildtierhaltung gegen das Gesetz verstossen. Jetzt müsse sie die Konsequenzen tragen, so die Ordnungshüter. Ihre Tiere würde sie nie wiedersehen. Dennoch: Rosanna S. soll 50 Franken am Tag für Kost und Logie zahlen. Die Präriehunde seien in fachkundigen Händen, heisst es.

Rosanna S. wendet sich an eine Anwältin. Diese fordert Einsicht in die Verfahrensakten der vorsorglichen Beschlagnahmung. Mit einem Alter von fünf Jahren hätten die beiden Präriehunde bereits die durchschnittliche Lebenserwartung erreicht, erklärt die Anwältin in ihrem Antrag. Warum also, den Präriehunde, die ihr Leben lang als Haustiere lebten, nun eine Aussenhaltung aufzwingen? Und: Warum die vorsorgliche Beschlagnahmung, wenn gar keine Gefahr für das Leben der Tiere in Verzug war?

Johnny und starb beim Tierarzt und Mary wurde eingeschläfert

Scheibchenweise kommt die Wahrheit heraus. Johnny und Mary sind längst tot. Sie haben keine zwei Wochen in der neuen Gefangenschaft überlebt. «Es ging ihnen sehr schlecht. Ihre Vorderpfoten waren gelähmt. Johnny ist während einer Behandlung des Tierarztes gestorben und Mary haben sie eingeschläfert. Sie haben meine Lieblinge gequält und umgebracht».

Bis heute weiss die Italienerin nicht, wo die Tiere untergebracht waren. Noch immer hat sie keinen Obduktionsbericht. Rosanna S.: «Mit geht es nicht in erster Linie um Entschädigungszahlung, ich will Gerechtigkeit für meine toten Tiere. Was konnten Johnny und Mary denn für die Schweizer Gesetze?»

Präriehunde litten an degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule

Kantonsveterinär Reto Wyss (51) verteidigt den Einsatz von Mitte April: «Präriehunde gehören, wie ihr Name schon sagt, in die freie Wildbahn oder in grosse Gehege. Sie kommen aus Nordamerika, leben in Kolonien und müssen ihre Höhle graben können». Gegen das strenge Tierschutzgesetz sei nichts einzuwenden. «Wenn ein Missstand gemeldet wird, dann müssen wir von Amts wegen einschreiten», sagt Reto Wyss.

Dass es den beiden Präriehunden in der Privatwohnung gut gegangen sei, ist die rein persönliche Einschätzung der Besitzerin, sagt der Berner Kantonsveterinär weiter, «beide Tiere litten an einer degenerativen Veränderung der Wirbelsäule.» Die Lähmungserscheinungen seien meist auf eine chronische Erkrankung zurückzuführen, nichts Ungewöhnliches bei Tieren in diesem hohen Alter. «Die Präriehunde wären vermutlich auch bei ihrer Besitzerin recht bald gestorben. Der Tod der Präriehunde steht nicht im Zusammenhang mit der Beschlagnahmung».

*Name bekannt

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