So einfach gelangen K.o.-Tropfen in deinen Drink
4:28
Blick-Experiment zeigt:So einfach gelangen K.o.-Tropfen in deinen Drink

K.O.-Tropfen und Missbrauch
«Ich wurde betäubt, ausgeraubt und sexuell missbraucht»

Samuel P. wollte in einem Bordell an der Langstrasse eigentlich nur 200 Franken ausgeben. Am nächsten Tag wachte er mit Verletzungen auf und ihm fehlten über 9000 Franken. Für ihn ist klar: Zwei Prostituierte haben ihm Drogen verabreicht und ihn ausgenommen.
Publiziert: 00:03 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
1/7
Ein Besuch an der Langstrasse kostete Samuel P.* (59) über 9000 Franken.
Foto: Rebecca Spring

Darum gehts

  • Mann soll an der Zürcher Langstrasse ausgenommen und verletzt worden sein
  • Über 9000 Franken in sechs Transaktionen abgebucht
  • Opfer erinnert sich kaum, vermutet K.o.-Tropfen im Getränk
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
RMS_Portrait_260.JPG
Rebecca SpringModeratorin und Reporterin Blick

Samuel P.* (59) wollte an einem Samstagabend an der Zürcher Langstrasse nur ein bisschen Spass haben – stattdessen wachte er mit Schmerzen, wenigen Erinnerungen und 9000 Franken ärmer auf.

Was der Unternehmer noch weiss: Am Abend des 8. Juni 2024 trank er in der «After Dark Bar» ein Bier. Gegen 22 Uhr verliess er das Lokal und lief in Richtung Langstrasse, als er in der Nähe der ehemaligen Kontaktbar «Sonne» von einer jungen Frau angesprochen wurde. «Sie war Anfang 20, hatte einen schlanken und femininen Körper. Ich fand sie sehr hübsch», gesteht Samuel P. gegenüber Blick rund ein Jahr später am Ort des Geschehens.

Dem Zürcher war von Anfang an klar, dass er von einer Prostituierten angesprochen wurde. Er begleitete sie auf ein Zimmer oberhalb der «Sonne». Dort habe er mit ihr sexuelle Dienste für 200 Franken vereinbart, so P. Im Zimmer habe eine zweite – etwas ältere Frau – auf die beiden gewartet.

Waren K.o.-Tropfen im Drink?

Die beiden Frauen boten ihm ein alkoholisches Getränk an, erinnert sich Samuel P. «Ich habe nur einen Höflichkeitsschluck genommen. Aber der hat dazu geführt, dass es mich völlig umgehauen hat!»

Der Unternehmer ist überzeugt: Ihm wurde ein starkes Betäubungsmittel ins Getränk gemischt. Danach erinnere er sich nur bruchstückhaft an den Abend – ohne jegliches Zeitgefühl.

Der nächste Morgen war für Samuel P. wieder klarer: «Um etwa 10 Uhr am Sonntagmorgen verliess ich die Wohnung, stieg an der Langstrasse in ein Taxi und schlief danach 20 Stunden», sagt der 59-Jährige mit etwas zittriger Stimme.

«Ich musste reanimiert werden»
7:08
Trauma wegen K.-o.-Tropfen:Opfer erzählen von ihren Erfahrungen

Bluterguss und Verbrennung

Beim Aufwachen dann der Schock: Samuel P. entdeckte im Bauchbereich einen Bluterguss, den er sofort fotografierte. Zudem spürte er in seinem Mund eine schmerzhafte Verbrennung. Sein Zahnarzt bestätigte in einem Schreiben, das Blick vorliegt, die Verletzung im Mund. Die genauen Ursachen für die Verbrennung sind daraus jedoch nicht ersichtlich.

Samuel P. checkte daraufhin auch sein Konto. Er stellte fest: Zwischen 23.43 Uhr und 7.02 Uhr wurden in sechs Transaktionen insgesamt 9'087.80 Franken bezogen. Gleich am Montag reichte er bei der Stadtpolizei Zürich eine Strafanzeige gegen die beiden Frauen ein.

Für P. steht fest, dass er sich in Lebensgefahr befand: «Man weiss nie, wie eine Person in meinem Alter auf diese starken Substanzen reagiert. Ich hätte einen Herzinfarkt erleiden können!»

Doch um K.o.-Tropfen nachzuweisen, müssen Betroffene innerhalb von zwölf Stunden eine Urinprobe abgeben, was bei P. zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr möglich war.

Knapp einen Monat später besuchte P. eine Psychologin und berichtete, dass ihm unter Zwang Drogen verabreicht wurden und er daraufhin sensible Informationen – wie etwa seinen PIN-Code – preisgab. Die Psychologin bestätigte daraufhin, dass die Aussagen ihres Patienten konsistent und glaubwürdig wirkten.

P. fasst zusammen: «Ich wurde betäubt, ausgeraubt und missbraucht.» 

Mangel an Beweisen

Die Staatsanwaltschaft Zürich ging dem Fall nach, kam jedoch in einem Schreiben vom 11. Juli 2024 zum Schluss, dass die Voraussetzungen für die Eröffnung einer Untersuchung gegen die beiden Prostituierten mangels Beweisen nicht gegeben sei.

Zudem widersprach ein Ex-Mitarbeiter der Bar «Sonne» P.s Schilderungen: Der Mann, der am besagten Abend im Lokal arbeitete, sagte gegenüber der Polizei aus, dass P. in der betreffenden Nacht mehrmals Dienstleistungen in Anspruch genommen und bei ihm die bezogenen Leistungen selbst mit den Bankkarten bezahlt habe. Dabei habe P. einen normalen Eindruck hinterlassen.

Dass sein Fall nicht weiter untersucht wurde, enttäuscht Samuel P. Für ihn steckt klar ein System hinter der Masche: «Der Lokalbetreiber hat sicher einen Anteil bekommen von dem, was mir abgebucht wurde. Da ist es doch klar, dass er sagt, dass ich normal wirkte.»

Von der Versicherung bekommt P. – unter anderem aufgrund des Polizeirapports – kein Geld zurückerstattet. 

Auch Männer können Opfer sein

Berufung legte Samuel P. nicht ein. Ihm sei bewusst, dass seine Beweislage dürftig sei.

Den Schritt an die Öffentlichkeit macht P. nun, weil er Aufmerksamkeit für solche Fälle schaffen will. Erst im Mai berichtete Blick über Frauen, die unwissentlich K.o.-Tropfen verabreicht bekommen hatten.

Mit einem Appell wendet sich P. an die Männer, die an der Langstrasse unterwegs sind: «Hier herrschen keine Gesetze, man wird sich selbst überlassen», so der Unternehmer. Männer sollten im Ausgang genauso vorsichtig sein wie Frauen.

Seit seinem traumatischen Erlebnis besucht P. keine Bordelle an der Langstrasse mehr.

* Name geändert 

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Heiss diskutiert
    Meistgelesen
      Meistgelesen