Experte zu K.-o.-Tropfen
«GHB im Alkohol kann tödlich sein»

Kleine Tropfen mit grosser Wirkung – GHB, eigentlich ein Narkosemittel, wird immer wieder missbräuchlich als K.-o.-Tropfen eingesetzt. In Getränken macht es die Opfer manipulierbar oder sogar bewusstlos. Oberarzt und Experte Oliver Bosch erklärt die Gefahr der Substanz.
Publiziert: 12.05.2025 um 15:52 Uhr
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Aktualisiert: 12.05.2025 um 15:58 Uhr
Oliver Bosch (44) ist Psychiater und Oberarzt. Er hat schon diverse Studien zu GHB durchgeführt.
Foto: Rebecca Spring

GHB ist vieles: ein Narkosemittel, für Partygänger die Droge Liquid Ecstasy und für Forscher ein mögliches Mittel gegen Depressionen und Schlafstörungen. Für K.-o.-Tropfen-Opfer ist es aber einfach nur ein Alptraum. 

Bei GHB, kurz für Gammahydroxybutyrat, handelt es sich um eine klare, geruchslose Flüssigkeit mit leicht seifigem Geschmack. Aufgrund dieser Eigenschaften lässt sich die Substanz in Drinks kaum erkennen und wird missbräuchlich eingesetzt. 

Oliver Bosch (44) ist Oberarzt an der psychiatrischen Uniklinik Zürich und hat diverse Studien zu GHB durchgeführt. Für ihn ist es «eine vielseitige Substanz mit sehr dunklen, aber auch sehr spannenden Seiten». Im Gespräch mit Blick erklärt er, was die Flüssigkeit gefährlich macht und weshalb er trotzdem viel Hoffnung in die medizinische Anwendung von GHB gesetzt wird. 

Herr Bosch, was genau sind K.-o.-Tropfen?
Oliver Bosch: Das ist ein Überbegriff für verschiedene Substanzen. Der Begriff beschreibt das, was mit den Tropfen gemacht wird. Als K.-o.-Tropfen werden verschiedene flüssige Pharmaka eingesetzt, mit dem Ziel, Menschen bewusstlos, also k. o. oder Bewusstseins-eingeschränkt zu machen – meistens aus niederen, sexuellen Motiven. Häufig sind es Männer, die gegenüber Frauen K.-o.-Tropfen anwenden.

GHB ist immer wieder im Zusammenhang mit K.-o.-Tropfen in den Schlagzeilen. Wie wirkt diese Substanz auf die Opfer?
Im Gegensatz zu Alkohol wirkt GHB sehr schnell und stark, die Kurve geht sofort nach oben. Beim Alkohol kennen wir eine gewisse Proportionalität, das heisst, je mehr wir trinken, desto stärker wird der Rausch. Ist GHB im Drink, geht es viel schneller; dem Opfer wird schwindlig, man wird sehr müde und eine motorische Instabilität setzt ein. 

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«Den Tätern ist es meist egal, was mit ihren Opfern passiert. Sie verwenden alles, was sie kriegen können.»
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Wie gefährlich ist die Mischung aus Alkohol und GHB?
Die Dosis macht das Gift. Die Kombination aus Alkohol und GHB wirkt sehr stark. Eine hohe Dosis kann tödlich sein. Den Tätern ist es meist egal, was mit ihren Opfern passiert. Sie verwenden alles, was sie kriegen können, was die Wirkung unberechenbar macht. Das Missbrauchspotenzial ist sehr hoch, weil das Opfer sich nicht mehr wehren kann. 

Was kann man tun, wenn man merkt, dass nicht nur Alkohol im Drink ist?
Beim Verdacht auf K.-o.-Tropfen sollte man möglichst schnell eine Vertrauensperson suchen, im Optimalfall Freunde. Falls man alleine ist, kann man sich beispielsweise an den Barkeeper wenden. Natürlich weiss man nie genau, welche Personen mit drinstecken. Aber auf jeden Fall sollte man eine vertrauensvolle Person umgehend über den eigenen Zustand informieren. 

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Bestellt man im Club einen Drink, sollte man diesen zu jeder Zeit im Auge behalten.
Foto: Shutterstock

Und dann?
Die Unfallgefahr ist sehr hoch, wenn das Bewusstsein schwindet. Deshalb müssen Opfer sofort an einen sicheren Ort gebracht und seitlich hingelegt werden – es besteht die Gefahr, dass das Opfer erbrechen muss und daran erstickt. Der Körper wird nach der Einnahme lahmgelegt. Es sollte dringend ein Krankenwagen gerufen werden. Auch die Polizei sollte schnell informiert werden, denn K.-o.-Tropfen kann man im Körper nicht lange nachweisen. 

Welche Folgeschäden können entstehen?
Die Substanz selbst ist bei einmaliger Einnahme nicht gefährlich. GHB hinterlässt keine Rückstände, denn es wird im Körper zu Wasser und Sauerstoff umgebaut. Deshalb können K.-o.-Tropfen so schlecht nachgewiesen werden. Langfristige Auswirkungen sind nach K.-o.-Tropfen eher traumabedingt. Hier geht es darum, dass ein Kontrollverlust stattfand und es möglicherweise zum Missbrauch kam. Das kann traumaspezifische Symptome bei den Opfern auslösen.

Sie forschen zu GHB. Warum interessiert Sie diese Substanz?
GHB ist nicht nur eine Droge. Wir alle haben GHB in unserem Gehirn, es ist jedoch nicht genau bekannt warum. Man hat aber herausgefunden, dass es neuroprotektiv wirkt (es schützt unsere Nervenzellen und das Nervengewebe, Anm. d. Red.). GHB wurde deshalb in Operationen angewendet, um Zellschäden zu verhindern. Die Substanz wurde in der Medizin entdeckt, als Narkosemittel eingesetzt und hat dann auch in der Psychiatrie ihren Weg gefunden. 

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«GHB ist als Schlafmittel im Silicon Valley besonders beliebt.»
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Wie kann die Substanz in der Psychiatrie angewendet werden?
In unseren Studien haben wir gesehen, dass sie tiefschlafverstärkende Effekte hat. Das ist interessant, um zu sehen, wie man GHB bei Depressionen, Schlafproblemen oder gegen Demenz einsetzen kann. Es gibt verschiedene Marker, die zeigen, dass das Gedächtnis und der Tiefschlaf zusammenhängen. Mit dem Tiefschlaf wird häufig die Gedächtniskonsolidierung verstärkt. Das könnte helfen, das Gedächtnis für Psychotherapie zu verstärken oder Demenz vorzubeugen. 

GHB fördert also den Schlaf. Wie wirkt es im Gegensatz zu herkömmlichen Schlaftabletten?
GHB steigert die Schlafeffizienz und führt am nächsten Tag kaum zu Nebenwirkungen. Unsere Untersuchungen zeigen, dass dieser Tiefschlafeffekt sehr stark ist. Mir hat kürzlich ein Insider erzählt, dass GHB als Schlafmittel im Silicon Valley besonders beliebt ist. Die Menschen nehmen GHB und schlafen nur wenige Stunden – das Ziel ist: kurzer und effizienterer Schlaf und mehr Zeit für die Arbeit. 

In Clubs taucht GHB in Mikrodosierung als Partydroge Liquide Ecstasy auf – wann fand die Substanz den Weg aus der Medizin in den Freizeitgebrauch?
GHB steigert die Ausschüttung von Wachstumshormonen, deshalb war es in den Achtzigerjahren unter Bodybuildern beliebt. Damals war es frei erhältlich als Nahrungsergänzungsmittel, dann haben die Überdosierungen zugenommen. In den Neunzigerjahren wurde GHB zu einer Missbrauchssubstanz und zur Partydroge. Heute führen wir wichtige wissenschaftliche Untersuchungen zu GHB durch, parallel kommt es aber nach wie vor auch zu Missbrauch.

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«Das ist der übelste Entzug, den man sich vorstellen kann.»
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Kann man schnell süchtig werden?
Ja, GHB hat ein Abhängigkeitsrisiko, beim illegalen Gebrauch kann es schwer abhängig machen. Weil die Substanz so eine kurze Halbwertszeit hat, gibt es Menschen, die alle zweieinhalb Stunden eine neue Dosis zu sich nehmen – und das 24 Stunden am Tag. Die Person schläft nicht mehr richtig, weil alles zutiefst gestört ist. Wird ihr die Substanz weggenommen, ist das der übelste Entzug, den man sich vorstellen kann. Ich hatte einen Patienten im akuten GHB-Entzug, der halluziniert hat und komplett psychotisch war. Wir mussten ihm höchste Dosen an Benzodiazepine geben, um ihn herunterzuholen. Der Patient ist Wochen später an einer Überdosis aus GHB und Alkohol gestorben. 

GHB ist also eine hochgefährliche Droge, aber auch ein medizinischer Hoffnungsträger – ist es für Sie mehr Fluch oder Segen?
Aus Sicht des Mediziners überwiegt die gute Seite. Wenn man die Risiken beachtet und die Substanz in einem therapeutischen Rahmen anwendet, sehen wir viele Benefits. Ich verschreibe Patienten auch andere kontrollierte Substanzen wie Ritalin. Die Menschen profitieren davon – viele Leben sind viel besser, weil wir diese Medikamente haben. Das Problem entsteht, wenn die Substanzen missbraucht werden oder Menschen in Abhängigkeit geraten. So ist GHB in den falschen Händen sehr problematisch. 

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