Interkulturelle Expertin über das albanische Gewohnheitsrecht
«Frauen sind Gefangene ihres Schicksals»

Der Bericht «Bis dass der Mord uns scheidet» schlug hohe Wellen. SonntagsBlick sprach mit einer führenden Expertin darüber, welches Leid die mittelalterlichen 
Traditionen für Migrantinnen vom Balkan bedeutet.
Publiziert: 07.09.2019 um 23:56 Uhr
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Aktualisiert: 08.09.2019 um 11:46 Uhr
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Interkulturelle Expertin Ademi*: «Als geschiedene Frau gilt man in der albanischen Gesellschaft als Mensch zweiter Klasse.» (Symbolbild)
Foto: DEEPOL by plainpicture
Dafina Eshrefi

Vor einer Woche berichtete SonntagsBlick über den Mord an Luiza († 34). Am 26. August war die vierfache Mutter von ihrem ebenfalls albanischen Ex-Mann in Dietikon ZH bestialisch getötet worden. Teuta Ademi* (53) arbeitet als Vermittlerin zwischen den Kulturen. Sie tut dies unter anderem für die Kesb, die Jugendstaatsanwaltschaft und Opfer­hilfestellen in der Deutschschweiz.

Zum Fall selbst will sich Ademi nicht äussern. Doch was sie grundsätzlich über ihre Arbeit zu berichten weiss, ist schlimm genug. Aus Sicherheitsgründen möchten wir an dieser Stelle darum auch ihren richtigen Namen nicht nennen.

«Seit 30 Jahren habe ich mich der Integration der albanischen Minderheit in der Schweiz verschrieben. Meine Aufgabe ist es unter anderem, Familien in schwierigen Situationen zu begleiten. Ich kenne mich bestens aus mit albanischen Traditionen – und wie sie in der Schweiz gelebt werden.

Zusammenleben vor der Ehe gilt als verpönt

Es stimmt: Gemäss albanischem Gewohnheitsrecht steht es dem Mann zu, seine Frau zu schlagen. Dieses Gewohnheitsrecht betrifft vielleicht nicht jeden. Doch die Schweizer Öffentlichkeit wäre erstaunt darüber, wie viele albanische Familien in der Schweiz tatsächlich Schwierigkeiten haben, weil sie nach genau diesen alten Werten und Traditionen leben.

Was viele nicht verstehen: Wenn sich ein albanisches Paar trennt, ist dies nicht einfach die Angelegenheit der beiden. Die Trennung betrifft immer die Familie der Frau wie jene des Mannes. Deswegen ist der Druck bei jungen Leuten auch immer so gross, denn sie wissen: Läuft etwas schief, trägt die gesamte Familie die Konsequenzen.

Die Frauen sind dabei klar im Nachteil. Besonders krass ist das Ungleichgewicht dann, wenn einer der beiden Partner durch die Heirat aus dem Ursprungsland in die Schweiz kommt – also aus Albanien, dem Kosovo, Nordmazedonien oder Montenegro. Oft handelt es sich um arrangierte Ehen. Man hat sich im Sommer kennengelernt, ein paar Mal getroffen – und dann geheiratet. Zusammenleben vor der Ehe gilt als verpönt.

Frauen fürchten Rückschaffung

Wenn dann die Braut in die Schweiz kommt und in eine Familie einheiratet, die nach diesen alten Traditionen lebt, ist sie Gefangene ihres Schicksals. Diese Frauen sind ihrem Ehemann und dessen Familie oft gnadenlos ausgeliefert.

Dabei wissen Betroffene: Im Falle einer Trennung droht die Rückschaffung auf den Balkan. Als geschiedene Frau aber gilt man in der albanischen Gesellschaft als Mensch zweiter Klasse. Viele Frauen kehren deshalb zum gewalttätigen Ehemann zurück. Sie wollen in der Schweiz und vor allem bei ihren Kindern bleiben.

Oft genug riskieren die Frauen bei einer Trennung, auch von ihrer eigenen Familie verbannt zu werden. Doch nicht nur Frauen leiden bei ­einer Trennung unter den hohen Erwartungen der Familie. Verlässt die Frau den Mann, gilt er als unfähig und in seiner Männlichkeit gescheitert.
Deshalb ist es essenziell wichtig, das Thema der Gewalt an Frauen endlich zu ent­­­­ta­buisieren und darüber zu sprechen! Es muss unsere oberste Priorität sein, Lösungen zu finden!»

* Name geändert

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