«Schlechte Tierhaltung war seit längerem bekannt»
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Blick-Reporterin vor Ort:«Schlechte Tierhaltung war seit längerem bekannt»

Horror-Hof in Ramiswil SO geräumt – 120 Hunde eingeschläfert!
Tierschützer warnten Behörden seit Monaten vor Hundehalterin Lucia T. (57)

Auf einem Hof in Ramiswil SO sind 120 Hunde eingeschläfert worden, weil sie in einem schlechten Zustand waren. Hinter dem Betrieb steht gemäss Blick-Recherchen eine bekannte Gesundheitsexpertin. Eine Tierschützerin warnte vor ihr – und wirft den Behörden Versagen vor.
Publiziert: 21:16 Uhr
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Aktualisiert: vor 32 Minuten
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Der Horror-Hof von Ramiswil: Hier mussten 120 Hunde eingeschläfert werden.
Foto: Karin Frautschi

Darum gehts

  • Auf einem Hof in Ramiswil SO sind 120 Hunde eingeschläfert worden
  • Betreiberin ist laut Blick-Recherchen eine bekannte Gesundheitsexpertin
  • Der Tierschutzverein «Anihelp» warnte die Behörden seit Monaten – ohne Erfolg
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Weil sie «fehlernährt und krank» waren: Auf einem Hof in Ramiswil SO mussten 120 Hunde eingeschläfert werden. Auch mehrere Dutzend Pferde wurden vom Veterinäramt Solothurn beschlagnahmt. Die Tierhalterin ist wegen Verstosses gegen das Tierschutzgesetz angezeigt worden.

Die Meldung von Tele M1 bestätigt Andrea Affolter, Sprecherin des Solothurner Regierungsrats, auf Blick-Anfrage. Sie sagt: «Hätte einer der Hunde gerettet werden können, hätten wir ihn gerettet!» 

Mit der Kontrolle am Donnerstag sowie den sofortigen Massnahmen habe das Veterinäramt «unmittelbar auf einen entsprechenden Hinweis» hin gehandelt, so Affolter.

Eine Meldung im Juli

Blick weiss: Hinter dem Hof steht Lucia T.* (57). Die Mehrfachmutter ist schweizweit als Gesundheitsexpertin bekannt. Und: Es ist nicht das erste Mal, dass eine Beschwerde gegen sie eingeht.

So versuchte etwa der Tierschutzverein Anihelp Tierhilfe, die Behörden monatelang zu warnen – vergeblich. Wegen Unregelmässigkeiten bei der Zucht informierte er das Solothurner Veterinäramt bereits Anfang Juli und verlangte eine unangemeldete Kontrolle. Auf Facebook schreibt die Organisation auf den aktuellen Einsatz hin: «Wir hatten gewarnt, wir wurden angezeigt, von anderen Tierschützern sogar kritisiert, dass wir solche Berichte machen.»

Als Blick sie am Sonntag kontaktiert, zeigt sich Anihelp-Präsidentin Cynthia Güntensperger (49) noch immer geschockt. Dass die Tiere nun eingeschläfert werden mussten, macht der Tierschützerin zu schaffen. Sie ist wütend auf die Besitzerin, kritisiert aber auch die Behörden scharf.

Anzeige kassiert

Angefangen habe alles diesen Frühling: «Wir hörten, dass 13 Welpen vom betroffenen Hof eingeschläfert werden sollten. Damals versuchten wir noch, bei der Unterbringung zu helfen», sagt Güntensperger.

Nach und nach erhielt die Tierschützerin mehr Informationen: «Wir erfuhren, dass die Frau noch viel mehr Hunde hatte – verteilt auf andere Höfe in mehreren Kantonen.» Ein Landwirt aus dem Kanton Bern kontaktierte den Verein, weil er drei Hunde von Lucia T. kurzzeitig bei sich aufgenommen hatte und diese loswerden wollte. «Wir übernahmen einen der Hunde», erinnert sich Güntensperger. «Danach wollte die Frau diesen Hund – einen Pitbull – zurück.»

Damit habe «das Drama» begonnen: Wegen der «problematischen Vorgeschichte» weigerte sich Güntensperger, den Pitbull an T. zurückzugeben – prompt zeigte diese die Tierschützerin an. Die Anzeige liegt Blick vor.

Doch weil ihr immer wieder «Schwierigkeiten auf dem Hof zu Ohren kamen», machte Güntensperger im Juli eine Tierschutzfall-Meldung beim Veterinäramt Solothurn. Auch diese liegt Blick vor.

«Behörden haben weggeschaut»

Nach rund vier Monaten kam es nun zum Einsatz. Doch Güntensperger kritisiert das Vorgehen. Sie ist überzeugt: Man hätte nicht alle Hunde einschläfern müssen. «Viele waren sehr jung und nicht krank. Natürlich waren einige verwahrlost und nicht sozialisiert – aber das rechtfertigt nicht, sie einfach alle einzuschläfern.»

Ihre Vermutung: Die Einschläferung sei die «einzig schnelle Lösung» gewesen. Weshalb sie auch den Behörden einen Vorwurf macht: «Das Veterinäramt wusste vorher Bescheid. Die Behörden haben weggeschaut, das schockiert mich zutiefst!» 

Eine weitere Insiderin schiesst ebenfalls gegen die Behörden: «Die Tiere hätten nicht alle eingeschläfert werden müssen. Ich kannte einige der Hunde. Das waren tolle Tiere.» Die Situation auf dem Hof sei zwar nicht perfekt, aber viele der eingeschläferten Tiere seien gesund gewesen.

In eine ähnliche Richtung gehen zahlreiche Kommentare unter dem Beitrag der Anihelp-Facebook-Seite. Die Reaktionen: hochemotional!

Tiere in schlechtem Zustand

Anders klingt es von offizieller Seite. Andrea Affolter, Sprecherin des Solothurner Regierungsrats, bekräftigt auf Blick-Anfrage: «Die meisten Tiere waren fehlernährt und krank. Die Hunde waren alle in einer desolaten Verfassung und mussten vor Ort erlöst werden.»

Zum Vorwurf, dass nicht alle Hunde hätten eingeschläfert werden müssen, sagt Affolter: «Für den Veterinärdienst steht das Tierwohl stets im Zentrum. Im vorliegenden Fall konnten leider keine Hunde gerettet werden.» Noch im Mai habe es bei einer Kontrolle nichts zu beanstanden gegeben.

Was sich genau auf dem Hof abgespielt hat, ist schwer nachvollziehbar. Gemäss mehreren Quellen hat Lucia T. sowohl Hundezucht betrieben als auch Hunde bei sich aufgenommen. Zum Beispiel grosse, kräftige Herdenschutzhunde, wie Tierschützerin Güntensperger präzisiert: «Es gab Maremanos und ein halbes Dutzend unkastrierte Kangals.»

«Die Wahrheit aufzeigen»

Blick ist am Sonntag auf dem Hof vor Ort und trifft auf einen Rösseler, der die Räumung nach eigenen Angaben miterlebt hat. Laut ihm geht es zumindest den Pferden gut. Während sich ein Teil nach wie vor auf dem Hof befinde, seien manche Pferde ins Tierspital Bern und andere ins Nationale Pferdezentrum Bern gebracht worden.

Auch am Stammtisch einer nahen Beiz wird die Räumung heiss diskutiert. Mehrere Landwirte bezeichnen die Halterin unter der Hand als «Tier-Messie». Aus den Gesprächen wird klar, dass sie in der Region keinen guten Ruf hat. Man sei gar verwundert, weshalb die Behörden erst jetzt eingriffen, heisst es. Das Bellen der Hunde habe man Tag und Nacht gehört. Weil ihre Tiere regelmässig ausgebüxt seien, habe sie es sich auch mit den benachbarten Bauern und den Jägern verscherzt. Lucia T. scheint zudem finanzielle Schwierigkeiten gehabt zu haben: Sie hat Betreibungen in Höhe von 230'000 Franken.

Gegenüber Blick möchte die Beschuldigte im Moment nichts zu den Vorwürfen sagen, Lucia T. schreibt aber: «Ich liebe die Tiere sehr und werde alles dafür tun, die Wahrheit aufzuzeigen.»

* Name geändert 

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