Die Ostschweiz hat ein Gülle-Problem. In der Sitter, welche durch die Kantone St. Gallen, Thurgau und Appenzell fliesst, lässt die Wasserqualität zu wünschen übrig, wie das «Tagblatt» berichtet. Auf das Problem aufmerksam gemacht hat der ehemalige Präsident des St. Galler Stadtparlaments, Joseph Ebneter.
Der Ex-Politiker ist passionierter Fischer und Spaziergänger. Mehrmals pro Woche hält er sich am Fluss auf und beobachtet diesen aufmerksam. Dabei ist ihm in letzter Zeit eine zunehmende Verunreinigung aufgefallen. Er hat sich daraufhin per Mail an die Umweltämter beider Appenzell und des Kantons St. Gallen gewandt. «Ich stelle fest, dass die Farbe des Wassers wenige Stunden nach Regenbeginn bis ein, zwei Tage nach Regenende gelblich-braun ist und dass es oft nach Jauche riecht», schrieb er.
Auf Landwirtschaft zurückzuführen
Komme hinzu, dass jeweils eine grosse Menge Schaum auf der Wasseroberfläche schwimmen würde. Dieser stamme von Jauche, also einer Ansammlung von Exkrementen von Menschen und Tieren. «Ich gehe davon aus, dass diese markante und offensichtliche Gewässerverschmutzung durch die Landwirtschaft verursacht ist», so Ebneter. Und tatsächlich: Das St. Galler Bau- und Umweltdepartement hat seinen Verdacht bestätigt.
Die Verschmutzung ist laut Kanton auf abgeschwemmte Gülle zurückzuführen. Doch wie kann das sein? Immerhin ist die Ausbringung von Gülle ans eidgenössische Gewässerschutzgesetz gebunden. Dieses gibt dafür klare Regeln vor.
Gewisse Bauern halten sich nicht an Vorgaben
So darf weder vor Starkniederschlägen, noch bei wassergesättigtem Boden gedüngt werden. Zusätzlich muss ein Mindestabstand von drei Metern zu Gewässern eingehalten werden. Ist das schmutzige Wasser darauf zurückzuführen, dass sich gewisse Landwirte nicht an die Spielregeln halten?
Das sei nur teilweise der Fall, kommt Valentin Lanz, Abteilungsleiter Wasser und Stoffe des Kantons Appenzell Ausserrhoden, zum Schluss. Denn: «Die allermeisten Betriebe halten sich an die geltende Regelung», sagt er dem «Tagblatt». Gleichzeitig räumt er allerdings ein, dass noch Verbesserungspotenzial besteht. Weil in der Landwirtschaftspolitik aber grösstenteils der Bund das Sagen hat, sind den Kantonen die Hände gebunden.
Kläranlage verschmutzt das Wasser bei Starkregen zusätzlich
Die abgeschwemmte Gülle hat nicht nur einen Einfluss auf die Wasserqualität der Sitter, sondern auch auf diejenigen, die in ihr baden. Die Gülle ist aber nicht der einzige Faktor für die Verunreinigung. Auch die Kläranlagen haben einen Anteil am verschmutzten Wasser. «Bei heftigem Regen ist es unvermeidbar, dass ein Teil des Abwassers aus den Kanalisationen nur grob vorgereinigt in die Bäche entlassen wird», so Lanz. Würden die Badenden dann das verschmutzte Flusswasser schlucken, steige auch die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung. Deshalb rät Lanz davon ab, nach starken Niederschlägen direkt unterhalb von Kläranlagen zu schwimmen.
Auch der Kanton St. Gallen kennt das Problem. Bei Tests zur Prüfung der Badewasserqualität zeigten laut einer Mitteilung in der Vergangenheit knapp die Hälfte aller Messungen Werte an, bei denen vom Baden in der Sitter abgeraten wird.
Für Ebneter ist klar, dass etwas getan werden muss. «Ich ersuche Sie, in der Sache ernsthaft tätig zu werden», schreibt er in seiner Mail. Sein Aufruf zeigt Wirkung: So hat der Kanton St. Gallen mitgeteilt, dass man künftig bei länger anhaltenden Beeinträchtigung der Badewasserqualität an stark frequentierten Badeplätzen entsprechende Hinweistafeln aufstellen werde. (ced)