Eine aufgesägte Wohnungstür, ein Polizeieinsatz und ein mit Pfeil und Bogen bewaffneter IV-Bezüger – in St. Moritz GR ist ein Miet-Streit komplett aus dem Ruder gelaufen.
Im Zentrum steht Nerv-Mieter Philipp S.*. Während der Wohnungsbesitzer auf den Zugang zu seiner neu erworbenen Immobilie pocht, fühlt sich der 53-jährige S. ungerecht behandelt. Die Positionen verhärten sich, bis es schliesslich zur völligen Eskalation kommt.
Selbst bei Experten sorgt dieser Fall für ungläubiges Staunen. «So ein Vorgehen haben selbst wir noch nicht erlebt», sagt Thomas Oberle, Jurist beim Hauseigentümerverband Schweiz (HEV). Für ihn ist klar: Egal, wie verzwickt die Situation zwischen Mieter und Vermieter ist – Selbstjustiz ist nie die geeignete Option.
«Wichtig, dass der Rechtsweg eingehalten wird»
Normalerweise schlägt sich Oberle mit nicht bezahlten Mieten, gebrochenen Vereinbarungen oder verwüsteten Wohnungen herum. Der Fall des Nerv-Mieters von St. Moritz erreicht da eine andere Dimension. Doch was kann ein Besitzer einer Wohnung tun, wenn sich die offenen Rechnungen stapeln und der Mieter trotzdem nicht ausziehen will?
Oberle erklärt Blick: «Wichtig ist, dass auf jeden Fall der dafür vorgesehene Rechtsweg eingehalten wird.» Konkret heisst das, dass in einem ersten Schritt eine Zahlungsfrist von 30 Tagen für die Miete festgesetzt wird. «Erst wenn dieser Monat verstrichen ist, kann eine Kündigungsfrist ausgesprochen werden», sagt Oberle. Auch diese dauert erneut 30 Tage.
Sollte auch diese Frist ungenutzt verstreichen, kann gegen den Mieter vor Gericht ein Ausweisungsverfahren eingeleitet werden. Die einzelnen Etappen dieses Verfahrens sind kantonal unterschiedlich. Im äussersten Fall kann es sogar zur Zwangsräumung durch die Polizei kommen.
Dann gehts zurück auf Feld eins
Viele Vermieter würden den Fehler machen, den Mietern nicht die notwendigen Fristen zu gewähren, sagt Oberle. Das hat Folgen. «Egal, wie schwierig das Mietverhältnis war oder wie lange die Mieten schon ausstehen: Wenn das vorgeschriebene Kündigungsverfahren nicht ordnungsgemäss eingehalten wird, gehts immer wieder zurück auf Feld eins.»
In St. Moritz steht die umkämpfte Wohnung derzeit leer. Mieter Philipp S. liegt nach einem Sturz im Spitalbett, will aber anschliessend wieder zurück in sein altes Zuhause. Dass er dort aber nicht mehr bleiben kann, scheint nun auch ihm klar geworden zu sein. «Ich suche verzweifelt eine bezahlbare, behindertengerechte Wohnung», sagt er zu Blick. (cat)
* Name bekannt