Selbstmord von Polizeichef Reinhardt
GPK-Bericht: Alles noch viel schlimmer!

DAVOS – Der Bündner Polizeichef Reinhardt war betrunken, als er sich erschoss. Er nahm offenbar aufputschende Medikamente. Aber der GPK-Bericht zeigt noch viel mehr: die fatalen Fehler seiner Vorgesetzten.
Publiziert: 16.04.2010 um 11:44 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 00:17 Uhr
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Von Ann Guenter und Beat Kraushaar

Am frühen Morgen des 26. Januars erschoss sich der Kommandant der Kapo Graubünden, Markus Reinhardt, in einem Davoser Hotelzimmer. Jetzt ist der lang erwartete Untersuchungsbericht der Geschäftsprüfungskommission zum tragischen Fall und der Rolle der Regierung da.

Es zeigt: Es ist alles viel schlimmer, als angenommen.

Reinhardts Sucht: mehr als Alkohol

Der Polizeichef hatte schwere Probleme. Er trank. Bei öffentlichen Auftritten nahm er offenbar aufputschende Medikamente. Etwa Codein-haltigen und stark süchtig machenden Hustensirup. Diese trank er gemäss GPK-Bericht «immer in der verschlossenen Toilette».

Als Reinhardt sich in den frühen Morgenstunden in einem Davoser Hotelzimmer erschoss, war er ebenfalls betrunken. Medikamente wurden damals aber nicht nachgewiesen.

Der GPK-Bericht bezieht sich auf Laboranalysen, die zumindest das Alkoholproblem des Polizeichefs bestätigen.

Verhalten der Vorgesetzten: das totale Versagen

Die Vorgesetzten Reinhardts haben versagt. Weder Regierungsrat Martin Schmid noch seine Nachfolgerin Barbara Janom Steiner vermerkten zu keiner Zeit und an keiner Stelle in Reinhardts Personalakten die Alkoholproblematik des Polizeichefs. Seine Akte war damit blütenrein.

17. Juni 2008: Selbst als Regierungsrätin Steiner am 17. Juni 2008 ein Gespräch mit dem Polizeichef hatte, in dem er letztlich sein Alkoholproblem zugab, geschah nichts.

Steiner schloss auch keine schriftliche Vereinbarung mit Reinhardt ab, in der er sich verpflichtete, das Problem anzugehen. Janom Steiner habe zwar von Reinhardt verlangt, dass er «im Dienst, bei Pikettdienst, beim Autofahren und bei öffentlichen Auftritten keinen Alkohol» trinke. Es blieb aber lediglich bei der mündlichen Aufforderung – und bei leeren Versprechungen seitens Reinhardts.

1. Juli 2008: Die Regierungsrätin informierte sich bei Reinhardts behandelndem Arzt über den Zustand des Polizeikommandanten. Dieser empfahl ihr, Reinhardt mit «Zuneigung und Nachfragen zu unterstützen». Der Arzt war laut Bericht kein Fach- bzw. Suchtarzt.

Später eröffnete Steiner ihrem Polizeichef, dass sie ihn «eigentlich entlassen» sollte. Aufgrund seiner tadellosen Leistung und auch wegen seines Alters wolle sie ihm aber noch einmal eine Chance geben – solange er sich weiter ärztlich betreuen liesse und sich seine Werte verbesserten. Und wieder: Kein Schriftstück hält dieses Gespräch und die Bedingungen fest. Es blieb wieder bei mündlichen Versprechungen.

Ende September 2008: Nichts hatte sich gebessert. Schlimmer noch: Der ärztliche Befund ergab einen dringenden Gesprächsbedarf. Janom Steiner stellte Reinhardt zur Rede. Dieser sagte, er habe in den Ferien nicht aufgepasst, es sei seine Privatsache, was er in den Ferien mache. Und: «Eine Totalabstinenz oder eine vorzeitige Pensionierung komme für ihn nicht in Frage»! Ende Jahr seien seine Werte wieder im Normalbereich, versicherte er. Janom Steiner glaubte ihm.

14. Dezember 2008: Reinhardt versprach der Regierungsrätin beim Mitarbeitergespräch noch einmal, sein Problem in den Griff zu kriegen. Wieder musste er keine Zielvereinbarung unterschreiben.

Dass man den Versicherungen und Versprechungen Reinhardts immer wieder glaubte, so der GPK-Bericht, sei aus heutiger Sicht «naiv». Das ist wohlwollend formuliert. Das Problem hätte schriftlich festgehalten, Zielvereinbarungen gemacht werden müssen. Denn Reinhardt war als Polizeichef längst zum Sicherheitsrisiko geworden.

Der Grund für den Selbstmord

Zwei Tage vor dem WEF, am 24. Januar, inspizierte Reinhardt alkoholisiert den Zustand des Sicherheitsdispositivs. Janom Steiner bekam davon Wind. Und vereinbarte ein Gespräch mit ihm. Sie hatte sich endlich dazu entschlossen: Der Kommandant musste zu einer Behandlung gezwungen werden. Die Verantwortung am WEF 2010 wollte sie dem Stabschef übergeben, das Polizeikommando dem Stellvertreter von Reinhardt.

Faktisch also wäre Reinhardt einen Tag vor dem WEF abgesetzt worden.

Reinhardt, der sich laut GPK-Bericht als «perfekten Polizeikommandanten» sehen wollte, ahnte, was auf ihn zukommen würde. Er nahm nur Stunden vor der unvermeidlichen Entlassung das Leben.

Regierung akzeptiert Bericht
Der 26 Seiten umfassende Schlussbericht wird am Montag im Bündner Grossen Rat diskutiert. Der Bericht enthält auch Empfehlungen. Im Fall Reinhardt habe sich gezeigt, dass es in der Verwaltung für Mitarbeitende schwierig sei, Probleme dem zuständigen Departementsvorsteher ohne Gefahr eines Loyalitätskonfliktes vorzutragen, schreibt die GPK. Die Bündner Kantonsregierung akzeptiert die Schlussfolgerungen des GPK-Berichts. Rückblickend gesehen zeige sich, dass gegenüber dem verstorbenen Polizeikommandanten auch ein härteres Vorgehen möglich gewesen wäre.
ZVG
Der 26 Seiten umfassende Schlussbericht wird am Montag im Bündner Grossen Rat diskutiert. Der Bericht enthält auch Empfehlungen. Im Fall Reinhardt habe sich gezeigt, dass es in der Verwaltung für Mitarbeitende schwierig sei, Probleme dem zuständigen Departementsvorsteher ohne Gefahr eines Loyalitätskonfliktes vorzutragen, schreibt die GPK. Die Bündner Kantonsregierung akzeptiert die Schlussfolgerungen des GPK-Berichts. Rückblickend gesehen zeige sich, dass gegenüber dem verstorbenen Polizeikommandanten auch ein härteres Vorgehen möglich gewesen wäre.
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