Darum gehts
- Pontresina kontrolliert korrekte Erstwohnungsnutzung systematisch
- Bundesgerichtsentscheid zu Streitfall steht aus, Gemeinde handelt trotzdem
- Bei 200 überprüften Wohnungen waren 70 Fälle nicht eindeutig
Pontresina geht zunehmend konsequent gegen die missbräuchliche Nutzung von Erstwohnungen vor. Im vergangenen Jahr kontrollierte die Oberengadiner Gemeinde mit hohem Aufwand, ob die Eigentümer ihren Lebensmittelpunkt tatsächlich im gut 2000 Einwohner grossen Ort haben.
Verlangt wurde mittels Fragebögen der Nachweis, dass es sich nicht um eine Zweitwohnung handelt. In etwa 70 von 200 Fällen sei dies nicht eindeutig gelungen, hält der Gemeindevorstand fest. Auf Nachfrage habe dann die Hälfte der Betroffenen zeigen können, dass sie hauptsächlich dort leben.
Weitere Abklärungen
Nach wie vor bleiben 30 offene Fälle, in denen die korrekte Nutzung nicht zweifelsfrei erwiesen werden konnte. Deshalb seien weitere Abklärungen erforderlich, so Pontresinas Gemeindeschreiberin Jeannette Guadagnini.
Das ist eine schwierige Aufgabe, denn das Gesetz definiert nicht, wie lange man sich in einer Gemeinde aufhalten muss, damit sie als Lebensmittelpunkt gilt. Unklar ist auch, welche Nachweise eine Eigentümerin oder ein Eigentümer dazu erbringen muss. Auf der anderen Seite fehlt es an einer klaren Definition, was als Beleg für eine missbräuchliche Nutzung genügt. Ein Kriterienkatalog soll diese Regeln eindeutig definieren.
Ein Streitfall aus Pontresina, bei dem die Gemeinde die vorgeschriebene Erstwohnungsnutzung bezweifelt, ist vor Bundesgericht hängig. Der Eigentümer bestreitet den Vorwurf.
Obwohl ein Leiturteil aus Lausanne aussteht, wollten die Verantwortlichen der Gemeinde nicht weiter warten. Mehrere Angestellte sind mit Abklärungen beschäftigt; sie zogen dafür externe Rechtsberater zu.
Kaum Bauland
In Pontresina herrscht akute Wohnungsnot. Einheimische und Zuzügerinnen, die dort eine Stelle antreten wollen, finden nur mit grosser Mühe eine Bleibe. Freies Land, um neue Wohnungen zu bauen, steht der Gemeinde nur beschränkt zur Verfügung. Auch deshalb war man zu einer systematischen Überprüfung der korrekten Erstwohnungsnutzungen gezwungen, sagt die Gemeindeschreiberin.
Guadagnini weiter: «Während die einen mit Unverständnis reagiert haben, begrüssten andere das Vorgehen.» Erboste Eigentümer seien der Meinung gewesen, es gehe die Gemeinde nichts an, wie viele Tage sich jemand dort aufhalte. Andere hätten bereitwillig Auskunft erteilt. Die Ansicht, dass Kurzzeit-Gäste Ferienwohnungen nutzen sollen, sei in der Bevölkerung verbreitet.
Die Gemeindeschreiberin betont, die Überprüfung sei zwar «keine schöne Aufgabe, aber gesetzliche Pflicht und eine politische Entscheidung».
Anteil an Ferienwohnungen definiert
Ein Bundesgesetz, das seit 2016 in Kraft ist, verlangt von Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von mehr als 20 Prozent, dass Neubauten nicht als Feriendomizile genutzt werden dürfen.
Von der konsequenten Durchsetzung der gesetzlichen Vorgaben durch systematische Überprüfung erhofft sich Pontresina eine präventive Wirkung. Guadagnini: «Für uns ist die korrekte Nutzung der Erstwohnungen wichtig, während andere Gemeinden nicht bereit sind, diesen grossen Aufwand zu betreiben.»