Geheimnis um Bündner Freiheitshelden
Jörg Jenatsch: DNA-Analyse nach 373 Jahren

In der Kathedrale Chur liegt angeblich der Bündner Freiheitsheld Jörg Jenatsch (†1639). Jetzt wurden die Überreste mittels DNA-Analyse untersucht.
Publiziert: 25.10.2012 um 10:26 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 19:35 Uhr
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In diesem Grab soll seit 373 Jahren der Freiheitsheld Jörg Jenatsch liegen.
Foto: Keystone
Von Philippe Pfister

Für die Bündner ist Jörg Jenatsch (1596–1639) der grosse Freiheitsheld. Er war Anführer der Bündner Truppen im Dreissigjährigen Krieg. Am 24. Februar 1639 wurde er Opfer eines Komplotts – und mit einem Beil erschlagen.

Seine sterblichen Überreste kamen – wahrscheinlich – in die Kathedrale Chur. 1959 exhumierte der Zürcher Anthropologe Erik Hug den Leichnam. Es blieb aber unklar, ob es der richtige war.

Im Frühjahr 2012 öffnete der Archäologische Dienst Graubünden das Grab erneut – und untersuchte den Inhalt mit modernsten Methoden. Federführend war das Zentrum für Evolutionäre Medizin der Universität Zürich.

Wissenschaftler um den Mumienforscher Frank Rühli erstellten anhand der  Blutreste ein DNA-Profil  - und verglichen dieses mit Profilen von noch lebenden Nachfahren der Familie Jenatsch.

Ist er es nun – oder ist er es nicht?

Um die Verwandtschaft von Jürg Jenatsch zu den männlichen Nachfahren seines Urgrossvaters zu prüfen, wurden Y-chromosomale Merkmale untersucht. In der Fachsprache nennt man diese Y-STRs (short tandem repeats) und Y-SNPs (single nucleotide polymorphisms).

Die 22 untersuchten Y-SNPs waren beim Skelett und bei den drei Nachfahren identisch. Allerdings kommt dieses Y-SNP-Muster in Mitteleuropa relativ häufig vor, das Ergebnis ist also nicht sehr aussagekräftig. Die Y-STRs zeigten in 3 von 23 untersuchten Y-STRs Abweichungen zum Skelett.

Gewissheit, dass es sich beim Skelett um Jenatsch handelt, ergab also auch die DNA-Analyse nicht. Aber: Mit den Indizien, welche bereits vor der DNA-Analyse vorlagen, deutet dieses Ergebnis trotzdem klar auf Jenatsch hin.

Alles deutet auf Jenatsch hin

Beim gefundenen männlichen Skelett handelt es sich um einen erwachsenen, 40- bis 60-jährigen Mann (Jenatsch starb mit 43). Die am Skelett festgestellten Schädelfrakturen müssen zum Tod der Person geführt haben –  und Jenatsch wurde mit Axthieben auf den Kopf getötet.

Die Kleider des Toten zeigen, dass dieser als gutsituierter Mann im 17. Jahrhundert lebte (so wie Jenatsch). Zudem heisst es in einer zeitgenössischen Quelle, dass Jenatsch unter der Orgel in der Churer Kathedrale beigesetzt wurde – genau dort, wo man das Skelett im Frühahr ausgrub.

Fazit: «Alles in allem eine gute Indizienlage, wonach wir mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen dürfen, dass es sich beim vorliegenden Grab um jenes des Jörg Jenatsch handelt», sagt Manuel Janosa vom Archäologischen Dienst des Kantons Graubünden.

Der letzte Beweis steht aus

Ganz gelüftet ist das Geheimnis also nicht – vor allem, weil die computertomographischen Aufnahmen des Schädels die Wissenschaftler kaum weiterbringen. Aus solchen Schädelscans kann man das Gesicht rekonstruieren – und dieses mit Bildern vergleichen.

Ein Ölgemälde mit dem Porträt von Jörg Jenatsch, von dem man annahm, es hänge in Paris, blieb aber bis jetzt unauffindbar. Manuel Janosa: «Es scheint, unser Protagonist mache sich noch posthum einen diabolischen Spass daraus, uns weiter zu verwirren.»

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