Franco (57) und Ilaria (50) Vitali bangen auf der Alp Palü GR um ihre Esel
«Der Bär vertreibt uns aus dem Paradies»

Die Alp Palü im Puschlav ist ein friedlicher Ort, wo Mensch und Tier zusammenleben. Doch seit der Bär sein Unwesen treibt, ist hier die Idylle getrübt.
Publiziert: 23.06.2014 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 15:27 Uhr
Von Myrte Müller

Ein türkiser Bergsee. Saftige Weiden. Tobende Wasserfälle. Das Paradies der Familie Vitali liegt auf knapp 2000 Metern oberhalb von Pos­chiavo GR. Seit ­einem Vierteljahrhundert bewirtschaften Franco (57) und Ilaria (50) Vitali die Alp Palü. Ihr ganzer Stolz: 90 Kühe, 350 Schafe, vier Esel, vier Schweine, 15 Hühner, die Käserei, eine Berggaststätte mit Massenunterkunft.

«Jetzt vertreibt uns der Bär aus unserem Paradies», klagt Ilaria Vitali. Vor zwei Jahren war es M13. Heute ist es M25. Morgen werden weitere Bären folgen. «Sie fressen unsere Tiere, ängstigen unsere Gäste. Wir haben schon Stornierungen.»

Schweren Herzens führen Franco Vitali und sein Kollege Fritz Baradun (59) ihre 15 Esel auf die Sommerweide. «Wir wissen nicht, ob wir sie lebend wiedersehen», sagt Fritz Baradun traurig.

M25, der neue Braunbär, hat schon fünf Grautiere in der Umgebung gerissen. Kein Esel ist mehr sicher. «Die Ohnmacht ist am schlimmsten», sagt Fritz Baradun. «Und die Wut», fügt Franco Vitali hinzu. «Wir haben nichts gegen die Bären. Die können ja nichts dafür», erklärt er, «doch die, die sie hierherholten, die sind schuld. Die Schweiz ist zu klein für Räuber, gegen die wir uns nicht verteidigen dürfen.»

Auch ein Bärenschutz hält Franco Vitali für unrealistisch: «Das müsste ein zehn Kilometer langer und zwei Meter hoher Zaun sein. Das Material dafür kriegt man nicht hier hoch.» Ausserdem: So ein Zaun würde über 10 000 Franken kosten. «Wer kann das bezahlen?», fragt Ilaria Vitali. Und der Bär fände immer einen Weg, um an Beute zu kommen.

Sie weiss, wovon sie spricht. Ende Juli 2012 reisst M13 sieben ihrer Schafe. Am Tag darauf taucht der Bär auf der Alp Palü auf. Es ist am frühen Abend. M13 jagt einen Esel, lässt von ihm ab, rennt auf eine Nachbarin zu. Die kann sich ins Ferienhaus retten (BLICK berichtete).

«Mein Mitarbeiter und ich wollten mit den Hunden den Bären verjagen. Doch der richtete sich auf», erzählt Franco Vitali. «Das war eine furchteinflössende Situation. Wir sind schnell umgekehrt.»

Seine Frau erinnert sich: «Ich habe einen Wildhüter angerufen. Er sagte, wir sollten im Haus bleiben. Der Bär wolle nur fressen.» Das macht sie wütend. «Soll ich am Fenster stehen und zusehen, wie der Bär unsere Esel, Schafe und die Schweine zerfleischt?» Für das Ehepaar ist klar: «Entweder die Bären oder wir», sagt Ilaria Vitali. «Bleiben die Bären, gibt es keine Alpwirtschaft mehr, keinen Käse, keinen Wandertourismus.»

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