Dieses Bild hat gestern Morgen schockiert. Ein Kadaver eines Jungwolfes, durchsiebt von Schrotkugeln. Waldarbeiter hatten ihn auf dem Gemeindegebiet von Sils im Domleschg gefunden. Er lag unterhalb einer Strassenbrücke, dort war er qualvoll an seinen Verletzungen verendet.
Georg Brosi, Vorsteher Amt für Jagd und Fischerei Graubünden, verurteilt diese Tat scharf: «Angesichts dessen, dass sich in den letzten Jahren leider extreme Lager zwischen Wolfschützern und Wolfsgegnern gebildet haben, gehe ich von einer emotionalen Tat aus.»
Schrotflinte weist nicht unbedingt auf Jäger hin
Noch sei nicht klar, ob es sich bei dem Tier um eines aus dem Calanda-Rudel handelt. Die Ergebnisse vom DNA-Test würden erst in drei bis vier Wochen vorliegen. Möglich sei es schon, denn das Calanda-Rudel hatte letzten Sommer zum vierten Mal Nachwuchs. «Aber es könnte auch ein Einzeltier sein, das aus dem Tessin oder Wallis zu uns gewandert ist», meint Brosi.
Es sei um so tragischer, dass es noch ein Jungtier war. «Der Schütze hat vermutlich nicht erkennen können, dass es sich um einen Jungwolf handelt, denn er war für sein Alter schon sehr weit entwickelt. Nur wenn er im Rudel ist, hätte man den Unterschied vielleicht sehen können.» Dass das Tier mit Schrot erlegt wurde, weise darauf hin, dass die Tat nicht unbedingt von einem Jäger begangen wurde. «Das Schrotgewehr ist halt eine relativ weit verbreitete Waffe in der Bevölkerung und ist einfach zu bedienen.»
Tat ist schwierig aufzulösen
Im Kanton Graubünden werden gezielte Abschüsse dann genehmigt, wenn sie als Erziehungsmassnahme dienen. Also nur, wenn sich Tiere tagsüber der Zivilisation nähern. «Aus solchen Abschüssen lernt das Rudel auch», sagt Brosi.
Bei dieser Tötung hätten sie keine Ahnung über die Hintergründe der Tat. «Wir wissen ja nicht, wo und wann der Abschuss passierte.» Das aufzuklären, werde Aufgabe der Polizei sein. «Um den Schützen zu ermitteln, wird wohl auch Kommissar Zufall helfen müssen. Wir sind angewiesen auf Hinweise aus der Bevölkerung», meint Brosi.
Auch der WWF ist empört über den illegalen Wolfsabschuss. «Es darf nicht sein, dass Wilderer einfach nach Belieben Wölfe abknallen. Der Ständerat hat schliesslich erst kürzlich den Schutz des Wolfes bestätigt», meint Martina Lippuner, Mediensprecherin beim WWF Schweiz. Die Wilderei sei kein Kavaliersdelikt.
Brosi glaubt nicht, dass sich in Graubünden die Haltung «schiessen, schaufeln, schweigen» durchsetzt. «Im Bündnerland gibt es zwar vereinzelt extremen Positionen zum Wolf, aber die meisten Jäger und Menschen seien dem Wolf nicht so negativ zugetan.» (ct/nbb)