Die Eröffnung der neuen Vierer-Sesselbahn in Obersaxen GR wurde mit grosser Freude erwartet: Mit dem Fünf-Millionen-Projekt ist seit diesem Winter das Skigebiet Untermatt endlich bequem erreichbar.
Heute hat aber kaum einer mehr Freude an der neuen Sesselbahn. Denn: Obwohl eine behindertengerechte Bahn angekündigt wurde, werden nun nur Wintersportler befördert. Fussgänger sind verboten! Der Bahn fehlt die Bewilligung für deren Transport. Eine solche stellt das Bundesamt für Verkehr aus.
Für Leo Casanova (58) unverständlich. Der Beizer des Bergrestaurants auf der Untermatt spricht von einem kolossalen Planungsfehler der Bergbahnen. «Wie kann man bei der Planung einer neuen, teuren Sesselbahn bloss die Fussgänger vergessen?»
Für ihn ist klar: «Das ist ein Schildbürgerstreich!» Die Stimmung unter den Touristen sei nun so schlecht wie noch nie, sagt er.
Selbst bei Notfällen gibts keinen Zutritt
Kein Wunder: Durch das Verbot sind Senioren, Schlittler und Menschen mit einer Gehbehinderung zum Bergsteigen verdammt. Rund eineinhalb Stunden braucht man zu Fuss hoch ins Bergrestaurant.
Und das Verbot wird knallhart durchgesetzt – selbst bei Notfällen. Das erzählt Evelin Füglistaler (39) aus Rapperswil SG. Sie verbringt fast jedes Jahr die Sportferien in Obersaxen.
«Meiner Tochter wurde beim Schlitteln schlecht, sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Da bat ich bei der Bergstation darum, dass ich sie mit der Sesselbahn ins Tal bringen darf.» Doch alles Betteln half nichts. Füglistaler musste mit ihrer Tochter den Berg zu Fuss runtersteigen.
Angestellte bestätigen dieses Vorgehen gegenüber BLICK: «Ohne Bewilligung dürfen wir Fussgänger selbst bei Notfällen nicht auf die Sesselbahn lassen – sonst bekommen wir Probleme.»
Die Bewilligung «hätte sich nicht gelohnt»
Peinlich: Obersaxen wirbt im ganzen Ort für die Paralympics-Ski-WM, die dort 2019 stattfinden wird. Josef Brunner, Verwaltungsratspräsident der Bergbahnen Obersaxen Mundaun, sitzt auch im OK des Grossanlasses. Und dies während auf seiner Bahn Gehbehinderte nicht willkommen sind.
Brunner verteidigt das Fussgängerverbot. «Anders als früher ist es heute viel aufwendiger, vom Bundesamt für Verkehr eine Betriebsbewilligung für Sesselbahnen zu bekommen, wenn sie auch für Fussgänger zugelassen werden soll.»
Er rechnet vor, dass bauliche Anpassungen für eine solche Bewilligung zusätzlich eine halbe Million Franken gekostet hätten. «Das hätte sich nicht gelohnt», sagt Brunner. Die Bergbahnen möchten das Geld viel lieber in eine neue Beschneiungsanlage investieren.
Obersaxer sammeln Unterschriften
Nur: Mehrkosten? Aufwendig? Das Bundesamt für Verkehr widerspricht. «Nach unserer Erfahrung ist eine Zusatzbewilligung für Fussgänger bei so einem Projekt nicht kostenrelevant», sagt Sprecher Gregor Saladin. Er bestätigt: «Für das Projekt in Obersaxen wurde nie eine Bewilligung für Fussgänger beantragt.»
In der Gemeinde werden nun Unterschriften für eine Petition gegen das Verbot gesammelt. Brunner kann darüber nur lachen. «Die sollten lieber Geld sammeln. Wie gesagt, das Ganze ist eine Kostenfrage!»