Wer im Restaurant ein Valser Still bestellt, bekommt ein Glas erfrischendes Bergquellwasser aus Graubünden, das in der ganzen Welt geliebt wird. Was aber niemand weiss: Dieses Wasser verursacht an seinem Ursprungsort ohrenbetäubenden Lärm und viel böses Blut.
Etwa bei Martin Valär (62). Er wird wochentags immer um 5.45 Uhr aus dem Schlaf gerissen, durch Tausende Valser-Flaschen. «Das Geklirre und Geschepper lässt einem das Blut in den Adern gefrieren», sagt er.
Lärm-Terror der Rhätischen Bahn
Valär wohnt an der Via Santeri in Ilanz-West GR. Ein Quartier, das durch das Verladen von Valser-Flaschen in Güterwagen der Rhätischen Bahn (RhB) terrorisiert wird.
Valär kämpft seit Jahren gegen den Lärm. Doch diese Woche überspannte die RhB den Bogen. Denn plötzlich begann der Verlad noch früher. «Es lärmte schon um 5 Uhr. Da habe ich mir gedacht: Jetzt reicht es!», so Valär.
In einem Leserbrief im «Bündner Tagblatt» fährt Valär der RhB an den Karren. «Bei mir donnert es mit einer Lautstärke von über hundert Dezibel – jeder Mediziner würde sagen, dass sowas krank macht!», so Valär.
Darauf angesprochen, entschuldigt sich die RhB. «Da hat es eine Panne gegeben – jetzt wird erst wieder um 6 Uhr verladen», sagt Sprecherin Yvonne Dünser auf BLICK-Nachfrage.
«Pure Provokation!»
Das lärmgeplagte Quartier ist in den letzten Jahren enorm gewachsen. Die Verladestation stand zwar schon vorher da, doch die Wohnhäuser stehen nun dicht drum herum.
Auch Max Sohm (80) leidet unter dem Lärm. «Ich verstehe nicht, warum die Gemeinde das einfach so toleriert. Viele Familien ziehen wegen dem Krach wieder weg von hier. Das kann es doch auch nicht sein!», so der Quartierbewohner.
Für ihn, aber auch Valär ist klar: «Wer an die Bahngleise zieht, darf nicht lärmempfindlich sein.» Aber das, was die RhB hier jeden Morgen abziehe, sei pure Provokation, so Valär. So ignoriere sie das Polizeireglement von Ilanz schlichtweg. Dieses schreibt eine Nachtruhe bis 7 Uhr morgens vor.
Dünser verteidigt die RhB: «Wir nehmen die Klagen der Anwohner ernst und haben in den letzten zehn Jahren viele lärmreduzierende Massnahmen umgesetzt.»
Und der Bruch der Nachtruhe geschieht legal. Denn die RhB beruft sich auf das Eidgenössische Eisenbahngesetz. Das kennt keine Nachtruhe. Dieses Gesetz ist dem lokalen Polizeigesetz zudem übergeordnet – die Gemeinde Ilanz muss sich dem fügen.
Aggressive Mitarbeiter
So auch gestern, als BLICK für einen Augenschein um 5.45 Uhr vor Ort ist. Bei der Verladestation herrscht da schon emsiges Treiben. Lastwagen hupen, Mitarbeiter rufen umher und schieben dann unter grandiosem Gepolter die Valser-Flaschen in die Eisenbahnwagen.
Auf Journalisten und genervte Anwohner reagieren die Valser-Lastwagenchauffeure aggressiv. Einer zeigt Passanten und dem BLICK-Fotografen laut schimpfend gar beide Mittelfinger und droht mit der Polizei.
Martin Valär bleibt unbeeindruckt: «Ich werde weitere Mitstreiter für die Interessengemeinschaft (IG) suchen und für unsere Nachtruhe kämpfen.» 45 Haushalte aus dem Quartier haben sich der IG angeschlossen.
Bis Valär sein Ziel erreicht, wird aber noch viel Valser-Wasser in Flaschen abgefüllt und mit ohrenbetäubendem Lärm von Ilanz aus in die Welt verschickt werden.