Darum gehts
- Tätowierer werden mit gefälschten Bewertungen eingedeckt
- Erpresser aus Pakistan fordern Geld für die Löschung negativer Kommentare
- So können Betroffene sich wehren
Gewisse Patienten drohen Zahnärzten mit negativen Onlinebewertungen, um einen Rabatt herauszuholen. Bei den Beizern hat gar jeder fünfte schon solche Erpressungsversuche erlebt. Darüber berichtete Blick letzte Woche. Doch das ist nicht alles: Neben schwierigen Kunden machen den Schweizer Unternehmen auch professionelle Erpresser aus dem Ausland zu schaffen.
An einem Tag vor rund zwei Wochen schien es plötzlich, als liege in der Schweizer Tätowiererszene einiges im Argen. In den Google-Rezensionen zahlreicher Studios waren haarsträubende Geschichten zu lesen.
«Das Tattoo ist nicht gut verheilt»
«Ich habe ein grosses Tattoo-Projekt gestartet. Die Künstlerin war anfangs sehr freundlich. Wir vereinbarten mehrere Termine, aber sie sagte zweimal ab – einmal wegen Krankheit, einmal wegen Ferien. Danach antwortet sie überhaupt nicht mehr», hiess es in der Review eines Zürcher Studios.
Empörend auch, was sich bei einem bekannten anderen Studio in Zürich ereignet haben soll: «Die Anweisungen zur Nachsorge waren unklar, und als ich um Hilfe bat, antwortete tagelang niemand. Das Tattoo ist nicht gut verheilt.»
Per Whatsapp kann eine Nachricht aus Pakistan
Alles andere als optimal soll auch ein Besuch bei Blade and Shade in Luzern verlaufen sein. In einer Google-Bewertung heisst es: «Der Künstler hörte nicht genau zu, was ich wollte, und nahm ungefragt kleine Änderungen am Design vor. Das fertige Tattoo entsprach nicht der Vorlage, die ich gezeigt hatte, und die Reaktion, die ich erhielt, war sehr unprofessionell.»
Allen diesen mit einem Stern versehenen Google-Bewertungen für verschiedene Studios ist eines gemeinsam: Sie wurden von den gleichen Google-Konten erstellt – und sie sind Fakes. Michi Kohler (36), Geschäftsführer von Blade and Shade, erzählt, erst habe er noch gerätselt, welche Kunden seines Studios hinter den Reviews stecken. Doch danach sei er über eine Telefonnummer aus Pakistan per Whatsapp kontaktiert worden. Der Absender habe ihm einen «Deal» als Bedingung für die Löschung seiner negativen Bewertungen vorgeschlagen. Er könne auch positive Bewertungen schreiben. Darauf ging Kohler nicht ein.
«Leider waren die Negativbewertungen gut geschrieben»
Stattdessen meldete er die betreffenden Kommentare bei Google, nach rund drei Tagen waren sie gelöscht. Kohler staunt über das dreiste Vorgehen des Erpressers, das er so noch nie erlebt habe. Und er sagt: «Leider waren diese negativen Rezensionen beängstigend gut geschrieben.» Er könne sich gut vorstellen, dass dafür künstliche Intelligenz eingesetzt worden sei.
Blick weiss: Auch andere Tattoo-Studios sind von derselben Telefonnummer aus Pakistan kontaktiert worden, die in ihrem Whatsapp-Profilbild den Spruch «I love Mohammed» verwendet. Auch von den anderen betroffenen Tätowierern forderte der Unbekannte aus Pakistan Geld für die Löschung der Kommentare. Ob es auch Studios gibt, die bezahlt haben, ist unklar.
«Gar nicht erst antworten»
Beim Bundesamt für Cybersicherheit (Bacs) ist die Masche bekannt. Bacs-Sprecherin Manuela Sonderegger (46) sagt: «Wir raten Betroffenen, gar nicht erst zu antworten, wenn eine Geldforderung eintrifft.» Stattdessen solle man die Fake-Kommentare bei der Bewertungsplattform melden und bei der Polizei Anzeige erstatten.
Auch bei der Kantonspolizei Zürich, die über die Website cybercrimepolice.ch über Betrug im Internet informiert, kennt man das Vorgehen. Sprecher Roger Bonetti (53) weist ebenfalls darauf hin, dass in solchen Fällen Anzeige erstattet werden kann. Zudem rät er Betroffenen: «Wenn sie auf die Bewertung antworten können, sollten sie schreiben, dass es sich um einen Fake handelt.»
Google: «Wir prüfen rund um die Uhr»
Google beantwortet keine konkreten Fragen zum Thema, schickt Blick aber folgendes Statement: «Wir überprüfen Beiträge genauestens und rund um die Uhr auf betrügerische Bewertungen.» Dafür setze man auf eine Kombination aus Mensch und Technologie. «Wenn wir feststellen, dass Menschen in die Irre geführt werden, ergreifen wir umgehend Massnahmen – von der Entfernung von Inhalten bis hin zur Löschung des Google-Kontos.»
Haben Sie Hinweise zu brisanten Geschichten? Schreiben Sie uns: recherche@ringier.ch
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