Fitze für Eltern oder Lehrer?
Die Kinder können keine Samichlaus-Versli mehr!

Die Qualität der Samichlaus-Versli hat abgenommen, beschweren sich die Chläuse. Die Lehrer sollen daran schuld sein. Aber die geben die Fitze an die Eltern weiter.
Publiziert: 04.12.2014 um 07:32 Uhr
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Aktualisiert: 09.09.2018 um 10:50 Uhr
Von Claudia Mascherin

«Samichlaus wo chunsch du här? Warum isch din Sack so schwär?» Über eine solche Begrüssung würde sich Christoph Zürcher (36) freuen. Aber die Zeiten sind vorbei! Der Profi-Samichlaus und Seminar-Leiter aus Lengwil TG klagt im SonntagsBlick: «Die Kinder lernen in der Schule keine Sprüchli mehr. Die Qualität der Verse hat abgenommen.»

In der Lehrerausbildung «zentral»

Ein Vorwurf, den Ursula Arnaldi, Dozentin der Erziehungswissenschaften an der Pädagogischen Hochschule Bern, nicht gelten lässt. Die Tradition werde eher im Elternhaus nicht mehr gepflegt.

Das Brauchtum Samichlaus und die Versli würden den Lehrpersonen zwar nicht als Thema vorgeschrieben, Sprachspiele und Verse seien aber im Lehrplan enthalten. «Verse sind für Kinder immer noch zentral und wichtig», sagt sie zu Blick.ch.

Trotzdem räumt Arnaldi ein: «Die Tradition der Samichlaus-Sprüchli hat sich durch das multikulturelle Umfeld verändert. So können auch mal Versli aus einem anderen Land, in einer anderen Sprache gelehrt werden.» Die Lehrer müssten die verschiedenen Kulturen und Migrationshintergründe berücksichtigen.

«Ums Auswendiglernen gehts nicht»

Wegen der Harmonisierung der obligatorischen Schule seien die Kinder bei der Einschulung zudem jünger als früher. «Ein 4-Jähriges lernt nicht das gleiche Sprüchlein wie ein 6-Jähriges.»

An mangelndem Interesse liege es bestimmt nicht, so Arnaldi. Die Kinder seien auch nicht zu faul, um die Verse auswendig zu lernen. «Im Kindergarten geht es nicht ums Pauken und Auswendiglernen. Die Kinder müssen einen Bezug zum Inhalt haben. Es geht ums Vermitteln und Übermitteln», sagt Arnaldi. Ein Vers werde immer spielerisch erarbeitet.

Kann die Dozentin selbst ein Versli?

«Und während ein Kind gleich drei Versli aufnehmen kann, schafft ein anderes vielleicht nur ein ganz kurzes.» Es sei Aufgabe der Lehrpersonen, bei der Auswahl zu individualisieren und den Entwicklungsstand der Kinder zu berücksichtigen.

Am Telefon versucht auch Arnaldi ein Samichlaus-Versli zum Besten zu geben. Es bleibt beim Versuch. Die Dozentin gerät nach wenigen Sätzen ins Stocken. Sie habe sich aber auch ein langes und schwieriges ausgesucht, entschuldigt sie sich. Ob diese Ausrede beim Samichlaus zählt?

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