Es ist 20.46 Uhr, als ich am Dienstagabend plötzlich eine Whatsapp-Nachricht erhalte. Den Absender kenne ich nicht. Im Sperrbildschirm erkenne ich aber, dass er ein Bildschirmfoto beigefügt hat.
Sofort öffne ich Whatsapp: «Es ist ein Fehler bei der Zahlung aufgetreten für deine Ware. Du bist nicht verifiziert.» Da wollte doch tatsächlich jemand meine Esszimmerstühle kaufen, die ich vor wenigen Minuten inseriert hatte. Im Bildschirmfoto erkenne ich all meine persönlichen Daten wieder, die ich auf der Verkaufsplattform Ricardo vor einiger Zeit hinterlegt hatte: Name, Adresse, Telefonnummer, E-Mail. Habe ich etwas falsch gemacht? Ich komme ins Grübeln.
«Hallo, wollten Sie die Stühle kaufen?»
Ich schaue mir das Profilbild der Person an. Ein junges Paar, etwa in meinem Alter, mit zwei Kindern. Nette Familie. «Hallo, wollten Sie die Stühle kaufen?» Die Person antwortet mit einem weiteren Screenshot. Der Kauf sei autorisiert worden. Um Geld zu erhalten, müsse der Verkäufer, also ich, sich über den generierten Link bei Twint verifizieren. Wie praktisch, dass die Person ihn gleich mitgeschickt hat. Noch klicke ich aber nicht drauf. Der Link sieht seltsam aus. Ich werde skeptisch.
Ich hatte die Stühle bei Tutti inseriert und dadurch wohl automatisch auch ein Ricardo-Inserat erstellt. Es gibt dafür eine Funktion, die bei mir aktiviert war. Die Ricardo-App muss ich mir herunterladen, da ich sie nicht mehr auf dem Smartphone habe. Ich bitte die Person um Geduld.
Ich fühle mich unter Druck gesetzt
Diesmal schreibt sie: «Ich habe gerade noch mal geschaut – du bist im System immer noch nicht verifiziert.» Deswegen könne sie den Kauf nicht abschliessen. Und Ricardo hat bereits 60 Franken Gebühr vorgemerkt – für einen Verkauf, der zwar im System als abgeschlossen verbucht wurde, mit dem es aber offensichtlich Probleme gab. Ich fühle mich unter Druck gesetzt.
Nun schicke ich der Person einen Screenshot. Den sogenannten Ricardo-Moneyguard, der für Zahlungen via Twint relevant ist, hatte ich im März freigeschaltet. Alle Profildaten sind verifiziert. Also schaue ich mir den Käufer auf Ricardo genauer an. Eine Frau aus St. Gallen. Die Telefonnummer ist ebenfalls hinterlegt. Seltsam, sie stimmt ja gar nicht mit dem Whatsapp-Kontakt überein.
Ein zweites Opfer
Ich rufe die Nummer an. Und tatsächlich: Nach zwei Versuchen geht eine ältere Dame ran. Ich stelle mich vor und frage, ob sie bei mir vier Stühle gekauft hat. «Nein, das habe ich nicht gemacht», entgegnet sie. Ich äussere meinen Verdacht, dass nicht nur ich, sondern auch sie Opfer von Betrug geworden ist. Plötzlich will die Dame das Gespräch beenden. Was mir einfallen würde, sie überhaupt so spät anzurufen, will sie wissen – ehe sie auflegt.
Zugegeben, ich schäme mich ein bisschen, eine fremde Frau spätabends gestört zu haben. Und doch weiss ich jetzt: Der Dame, mit der ich gerade telefoniert habe, wurde die Identität gestohlen – oder zumindest der Ricardo-Account. Und damit sollte ich nun um mein Geld gebracht werden.
Tipp: Klicke niemals beim Online-Kauf auf vermeintliche Links zu Twint, vor allem nicht in externen Apps wie Whatsapp oder Facebook. Es handelt sich in den allermeisten Fällen um Links, die zu einer gefälschten Seite führen. Dabei verfolgen die Betüger das Ziel, deine Bankdaten abzugreifen und sich so Zugang zu deinem Konto zu verschaffen.
Tipp: Klicke niemals beim Online-Kauf auf vermeintliche Links zu Twint, vor allem nicht in externen Apps wie Whatsapp oder Facebook. Es handelt sich in den allermeisten Fällen um Links, die zu einer gefälschten Seite führen. Dabei verfolgen die Betüger das Ziel, deine Bankdaten abzugreifen und sich so Zugang zu deinem Konto zu verschaffen.
Ricardo reagiert sofort
In der Zwischenzeit habe ich auch die Polizei angerufen. Die empfiehlt mir, den Vorgang beim Anbieter zu melden und den Fall auf einem Polizeiposten persönlich zu schildern. Ich melde das Angebot auf Ricardo als Betrug, sende den Whatsapp-Chatverlauf gleich mit.
Wahnsinn! Innert weniger Minuten reagiert Ricardo: «Wir gehen davon aus, dass das Konto des Käufers von Dritten missbräuchlich verwendet wurde, dementsprechend haben wir das Konto blockiert und die Transaktion storniert.»
Ich schalte die Polizei ein
Es ist inzwischen Mittwoch. Für mich könnte der Fall erledigt sein. Die ältere Dame geht mir aber nicht mehr aus dem Kopf. Für wie viele Betrugsversuche ihr Name wohl schon missbraucht wurde? Und wer die anderen Opfer wohl sind? Vermutlich ist auch die junge Familie auf dem Whatsapp-Profilbild Opfer von Identitätsdiebstahl geworden.
Gleich nach der Arbeit gehe ich zur Polizei. Irgendwie muss man das doch stoppen können, oder? Ich melde den Fall auf einem Posten der Kantonspolizei Zürich und gebe meine Informationen weiter. Die Polizei nimmt meine Daten auf, Anzeige muss die Frau aber selber erstatten.
Ich hoffe sehr, den Schaden zumindest begrenzen und andere vor dem Betrug bewahren zu können. Fortsetzung der Geschichte folgt. Fraglich ist nur, wann.
Sucht eigentlich noch jemand vier Esszimmerstühle?